Konzertberichte: KREISKY (Support: TRACKER), 13. April 2018, PMK Innsbruck
MOLLY, 19. April 2018, Die Bäckerei, Innsbruck
Zwei österreichische Bands, die auf Y enden, zwei euphorisierende Konzertabende. Das war es aber auch schon wieder mit den Gemeinsamkeiten zwischen den Auftritten von Kreisky und Molly in Innsbruck. Und das liegt nicht nur an der unterschiedlichen getränketechnischen Ausgestaltung dieser Abende meinerseits (einmal Bier – oje, zuviel; einmal Gingerbeer – ui, zu scharf), sondern manifestierte sich natürlich vor allem auf der musikalischen und atmosphärischen Ebene.
Kreisky begeisterten in der PMK mit ihrem gleichermaßen eigenwilligen wie eigenständigen Sound irgendwo zwischen Post-Punk und noisigem Rock, bei dem mir gleich eine ganze Reihe von Adjektiven durch den Kopf schießt: drahtig und schlank, (scharf-)kantig und zackig, fiebrig und quecksilbrig, glasklar und kühl, niemals aber schwerfällig und „heavy“. Der provokante Titel des aktuellen Albums, „Blitz“, bringt das Ganze eigentlich bestens auf den Punkt.
Das größte Pfund, mit dem Kreisky wuchern können, ist genauso drahtig und schlank wie ihr Sound – nämlich Sänger Franz Adrian Wenzl: Er ist nicht nur ein Texter mit hohem Wiedererkennungswert, der sich herzlich wenig um übliche Vorgaben in Sachen Reim und Rhythmik schert und gerne ungelenk und abgehackt über die Verszeile hinausstolpert, sondern zugleich auch ein grandioser Frontmann. Und „grandios“ ist hier durchaus auch im Sinne von überheblich gemeint: Denn in Zeiten, in denen sich allzu viele Musiker „authentisch“, „bodenständig“ und „normal“ geben – und dabei meist nur langweilig, gefällig und bieder sind -, tritt Wenzl mit gesunder, erfrischender Arroganz vor sein Publikum.
Ob als sexy tänzelnder Gockel, als bitterböser, verbitterter Zyniker (als der er in den Texten häufig auftritt) oder als am Kabarett geschulter Conférencier zwischen den Songs (es handelt sich hier immerhin um den leibhaftigen „Austrofred“) – der Mann hatte sein Publikum von Anfang an fest im Griff. Und Kreisky waren an diesem Abend in der restlos ausverkauften und entsprechend proppenvollen PMK sowieso die richtige Band am richtigen Ort. Bier und Schweiß flossen in Strömen, das bestens gelaunte Publikum ließ sich nur allzu gerne mitreißen.
An mitreißenden Songs, die gerade für die Livesituation wie gemacht scheinen, mangelt es bei Kreisky ja wirklich nicht. Zu den Höhepunkten – in einem Set ohne Ausfälle – zählten die tragikomische neue Versager-Hymne „Veteranen der vertanen Chance“ (in der Wenzl die Lottozahlen inklusive Zusatzzahl aufzählt – die Quittung zum Lottoschein hat der Ich-Erzähler selbstverständlich verloren), das textlich wie musikalisch unerbittliche „Vandalen“ („Wir sind alle Kannibalen / Wir sind alle keine Menschen mehr / Wir sind alle Vandalen / Wir sind viel zu junge Mädchen“), das vergleichsweise fast schon melancholisch-sanfte „Pipelines“ und natürlich das schneidende, gallige „Asthma“, das von meinem Schreibclub-Kollegen und Konzertgenossen Klippo erfolgreich eingefordert wurde. Eine giftigere Abrechnung mit der oder dem Ex wurde hierzulande noch nicht geschrieben:
„Und du wirst es nicht glauben / Aber seit du fort bist / Ist mein Asthma so gut wie verschwunden / Ist mein Asthma weg“.
„Ich habe oft gesagt, ich mag dich so wie du bist / Aber du musstest dich ja verändern / Von mir aus hättest du dich nicht verändern müssen / Verbessert hast du dich dadurch nämlich nicht“.
Mindestens genauso gut und ebenso gnadenlos – brandneue Songs wie „Ein braves Pferd“ (der sarkastische Refrain „Ich bin ein braves Pferd“ zierte übrigens auch die aktuelle T-Shirt-Kollektion am Merch-Stand) oder das mit schäbigen Synthies unterfütterte „Ein Depp des 20. Jahrhunderts“, in dem das lyrische Ich mit dem unaufhaltsamen Verschwinden von Gegenständen, Gewissheiten und Gewohnheiten hadert, letztlich also mit dem Altern und dem bitteren Gefühl, dass früher alles schöner und einfacher war und einen die Realität längst überholt, die Welt schon lange abgehängt hat:
„Und Autos und Rauchen und Fernsehen und CD-Sammlungen / das ist alles weg / Der Lärm und die Mädchen und unser ganzes schönes Europa / Das ist alles weg. Jetzt stehe ich da / Ein Depp des 20. Jahrhunderts“.
Serviert werden diese schwer bekömmlichen Botschaften, in denen das Persönliche und das Gesellschaftlich-Politische unauflöslich zusammenkleben, aber eben in knackigen, kurzen, hochenergetischen Vitaminbomben von Songs – und der Effekt ist letztlich ein tröstlicher und euphorisierender.
Dass das in der PMK so besonders gut klappte (und es sich Kreisky sogar leisten konnten, Weltnummern wie „Selbe Stadt, anderer Planet“ zu spritzen), war sicher auch ein Verdienst von Tracker, die an diesem Abend eigentlich keine Vorband, sondern ebenbürtiger Opening-Act waren. Auch bei ihrem Auftritt war es schon knallvoll, auch hier forderte das Publikum am Ende begeistert Zugaben ein.
Mit seinem sperrigen, kantigen, zugleich treibenden und konzisen Gitarrensound irgendwo zwischen Stoner Rock, Grunge und psychedelisch-experimentellen Spinnereien im Geiste von, zum Beispiel, „King Gizzard & The Lizard Wizard“ passte das Tiroler Trio sogar noch besser zu Kreisky, als ich im Vorfeld gedacht hätte.