Archiv für den Monat: Dezember 2014

Schnitzel und Suchtgift, Desert Rock und Dub, Blasmusik und Beckenbauer

Der gestrige HÖRABEND im bestens ausgestatteten Musik-Zimmer von Blog-Mitbetreiber Dave fand in kleinstmöglicher Besetzung statt. Umso größer war dafür der musikalische Bogen, der dort ab Nachmittag bis weit nach Mitternacht gespannt wurde.

Der Auftakt war laut, wild und ganz schön (!) trashig: Denn Kollege Dave ließ den Sampler „Beat From Badsville (Vol. 1)“ auf dem Plattenteller rotieren, eine Sammlung ultraobskurer Fundstücke aus den 50er und 60er-Jahren, irgendwo zwischen „Lip Curling Rock’n’Roll“, „Instrumental Madness“ und „Ghoulish Exotica“, zusammengetragen von zwei Spezialisten für das Abseitige und Abgründige, nämlich Lux Interior und Poison Ivy von den Cramps.

Die Nummern auf diesem Sampler tragen programmatische Titel wie „Bongo Beatin‘ Beatnik“, „Jibba Jab“, „Tight Skirt, Tight Sweater“ oder „From The Top Of Your Guggle (To The Bottom Of Your Zooch)“, zeigen den Rock ’n‘ Roll also in einer Phase, bevor er ernst und kunstbeflissen wurde. Dafür gibt es Lärm, Energie und jede Menge irres Gelächter wie aus einer abgehalfterten Geisterbahn.

Beat from Badsville

Apropos schurkisches Gelächter, Gruselfilmatmosphäre und seltsame Hörspieleffekte: All das findet man auch auf dem im Vorjahr erschienenen Sampler „Schnitzelbeat Vol. 1“, auf dem sich „Twisted Rock-n-Roll, Exotica & Proto-Beat Unknowns“ der Jahre 1957-66 ein Stelldichein geben. Das Besondere daran: Alle Protagonisten stammen aus Österreich. Die unterhaltsamen Einblicke in dieses weitgehend vergessene Kapitel heimischer Popgeschichte ist einem jungen Plattensammler mit dem Künstlernamen Al Bird Sputnik zu verdanken.

Einige Filetstücke durfte ich gestern präsentieren, zum Beispiel:

  • Frank Roberts – Maloja (1957): Ein auf Kuba angesiedeltes Mini-Hörspiel rund um Liebe, Triebe und Eifersucht („Heiß brennt mein Verlangen, Maloja …“), vorgetragen von einem gewissen Frits Fronz, der sich später als Regisseur von halbseidenen (oder wohl eher viertelseidenen) Filmen wie „Sex-Report blutjunger Mädchen“ oder „Baron Pornos nächtliche Freuden“ (k)einen Namen machte.
  • The Austrian Evergreens – Tabu (1962): Eine ebenso mitreißende wie durchgeknallte Interpretation des (in Insiderkreisen) bekannten Exotika-Themas „Tabu“.
  • Johnny & The Shamrocks – Biggy’s Little Car (1965):  Eine Instrumental-Perle irgendwo zwischen Beat, Surfrock und Kriminalfilm-Soundtrack.
  • Ferry Graf – Hotel zur Einsamkeit (1958): Eine gar nicht mal so üble Coverversion des Elvis-Krachers „Heartbreak Hotel“, die der Allround-Unterhalter Ferry Graf mit genau der richtigen Portion Schmalz zum Besten gibt.
  • Die 4 Bambis – Inka City 60 (1960): Eine bizarre Reise in die „grüne Hölle“ des südamerikanischen Dschungels, in der schon so mancher Glücksritter für immer verschwunden ist. „Die 4 Bambis“, später nur noch „Bambis“, waren schon zu Beginn des Abends mit ihrem unheimlich (!) kitschigen Tränendrüsendrücker „Melancholie“ zu hören gewesen, den ich hiermit David Lynch für seinen nächsten Film dringend ans Herz lege!

schnitzelbeat_vol1_2500x2500px

Weiter ging es in und mit Österreich, diesmal allerdings mit frühen Punk- und New-Wave-Klängen. Zu hören waren unter anderem:

  • Chuzpe – Terror in Klein-Babylon
  • Mordbuben AG – Mordbuben AG; Heimatland; Mi hat, mi hat der Größenwahn
  • Mini-Sex – Valium, Tropic Chaotic

All diese Nummern stammen vom legendären „Wiener Blutrausch“-Album, dem ersten österreichischen Punk-Sampler aus dem Jahr 1979. Während Chuzpe für radikalen, systemkritischen Politpunk standen, gab’s bei der Mordbuben AG großmäulig-proletarische Botschaften von der Straße – und bei Mini-Sex scharfkantige, unterkühlt-elektronische New Wave-Klänge, die mit ihrem wilden Sprachenmix sogar Falco vorwegzunehmen scheinen. „Valium“ hätte übrigens auch zum Drogen-Schwerpunkt an diesem Abend gepasst. Doch dazu später mehr …).

Weiterlesen

Im Reich der Maschinenmenschen

Konzertbericht: Elektro Guzzi, PMK Innsbruck, 19. Dezember 2014:

Manchmal ist im Leben und in der Musik wirklich das drin, was draufsteht: So wie bei Elektro Guzzi. „Live-Techno“ lautet das Etikett, mit dem das längst auch international abgefeierte österreichische Trio seit Jahr und Tag bedacht wird. Und womit noch? Mit Recht.

Zum einen geht es hier wirklich ums Liveerlebnis, das kann ich nach dem Konzerterlebnis im PMK bestätigen – wobei mir der Elektro Guzzi-Sound auch auf Platte (Parquet, 2011) durchaus zusagt. Zum anderen wird hier wirklich (minimalistisch-hypnotischer) Techno in Reinkultur serviert, allerdings mit der klassischen Rockbesetzung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug.

Diese scheinbar widersprüchliche, wenn nicht unmögliche Kombination – die Körperlosigkeit des Techno hier, die schweißtreibende Intensität eines Rockkonzerts dort – ist nach wie vor ziemlich einzigartig. Und sehr, sehr beeindruckend. Mit der Präzision eines Uhrwerks, um nicht zu sagen: mir roboterhafter Akribie setzen Elektro Guzzi Beats, Breaks und allerlei betörende Soundeffekte – und lassen das Ganze dennoch erstaunlich organisch und funky klingen. Der Kraftwerk’sche Traum von der Menschmaschine, hier scheint er wahr geworden. Auch wenn die Band selbst dieses Image eher loswerden will.

Weiterlesen

Heino Blöd

Eigentlich hat sich Heino bei seinem sensationell produzierten neuen Hit „Schwarz blüht der Enzian“ ja nicht von Rammstein inspirieren lassen, sondern eindeutig von Otto Waalkes, der die Industrial-isierung eines Heino-Stücks schon Jahre vorher vorwegnahm und es dazu noch durch die Michael-Jackson-Kraftwerk-Mühle drehte.

Man beachte die Braten gewordene Taube: