Archiv für den Monat: Oktober 2013

James Murphy 360°

Manche wissen es vielleicht, „All my Friends“ von LCD Soundsystem ist mein absolutes Lieblingslied der Nuller-Jahre. Eigentlich kenne ich gar kein besseres Lied.

Nun gibt es LCD Soundsystem bekanntlich nicht mehr. Seitdem (2011 oder so) habe ich von Mastermind James Murphy auch nicht allzu viel mitbekommen. Aber seit einigen Tagen treffe ich ihn plötzlich überall.

Also da wäre das allseits sehnlichst erwartete neue Arcade Fire-Album „Reflektor“, das Murphy produzierte und diese Woche erschien. Murphy und Arcade Fire? Nichts anderes als Brillanz ist zu erwarten.

Dann wäre da dieser James Murphy-Remix eines Stückes von David Bowies 2013er-Album „The Next Day“. Seit gestern gib es dazu ein Video.

Hat sogar „Ashes to Ashes“ dabei 🙂

Hello Steve Reich? Ein Hinweis auf das legendäre „Clapping Music“ des Minimal-Komponisten. Und Minimal nicht im Sinne von Elektro-0815-Disco-Fad-zum-Quadrat-Minimal.

Ich durfte das schon einmal live erleben, vorgetragen von der genialen Tiroler Perkussionisten-Band The Next Step. Absolut horizonterweiternd! Hier von irgendeinem YouTube-Ensemble:

Den Rhythmus in Blut und Kopf, würd ich sagen.

So. Aber das mit Abstand Interessanteste, was ich in Bezug auf James Murphy zuletzt las, ist sein neues Projekt mit den Dewaele-Brüdern von Soulwax: Despacio. Offenbar haben Murphy und die Dewaeles zu viel Geld und dachten sich: „Ey, jetzt produzieren wir mal den großartigsten Sound, den je ein Mensch gehört hat.“

Und damit meinten sie nicht notwendigerweise die großartigste Komposition oder das großartigste DJ-Set, sondern die großartigste Sound-Qualität EVER. Bitte einmal diesen Link eines Augenzeugen durchlesen.

Despacio is a custom built sound system devised by James Murphy (lcd soundsystem) which he, David and Stephen Dewaele (2manydjs) dj’ed from over the course of three nights in July in the New Century Hall as part of the Manchester International Festival. (…) It was fucking incredible is what it was. Off the friggin chart. Not like anything I have ever experienced before. (…) It was like meeting an alien from another planet. I’m an atheist but its the closest thing I have ever had to a religious experience. (…) First time I walked out onto the floor, before I’d even been able to register the magnitude of what I was hearing, I saw the smiles on people’s faces. They were in awe, raptured, they just looked deliriously happy. (…) It was like meeting sound for the first time.

 

Ich. MUSS. es. sehen.

19. und 20. Dezember in London werde ich wohl eher nicht schaffen. Aber vielleicht kommen die mit ihrer ganzen Anlage ja mal nach… was weiß ich, Berlin? Muss man jedenfalls im Auge behalten.

Kürbistag

Heute ist Halloween. Mir egal. Aber weil er mir kürzlich zufällig untergekommen ist, möchte ich doch einen Song zum Tage spielen. Ich besaß nie ein Album von den Crash Test Dummies, habe auch nie eines vollständig gehört – sicherlich, weil ihre Zeit die 90er waren und mir damals weder die finanziellen noch technischen Mitteln zur Verfügung standen, so viele Alben anzuhören wie gegenwärtig (… die finanziellen fehlen noch immer).

Aber die Singles habe ich immer sehr gemocht. Vielleicht noch am wenigsten den internationalen Superhit mit den vielen Mmmmmmmms, der übrigens in der Heimat Kanada im Gegensatz zu sechs anderen Single-Auskopplungen nicht einmal die Top 10 erreichte. Den hatte man spätestens nach sieben oder acht m irgendwann satt. Aber wie wär’s zum Beispiel eben mit dem Song zum Tage: „The Ballad of Peter Pumpkinhead“:

Toll, oder!? Im Video spielt übrigens Jeff Daniels („The Newsroom“) den Hauptprotagonisten, weil der Song auf dem Soundtrack zu „Dumb and Dumber“ vertreten war.

Zugegeben, der kreative Input der Crash Test Dummies bei diesem Song war nicht übertrieben groß, ist der Song doch eine im Wesen kaum veränderte Cover-Version des gleichnamigen Lieds von XTC, das nur zwei Jahre vorher (also 1992) erschien.

All credits to the original artist. Wiewohl mir der Zweigesang der CTD-Sänger Ellen Reid und Brad Roberts vielleicht sogar etwas mehr zusagt. Im inneren Kreis der Crash Test Dummies-Fans sind allerdings sowieso andere Songs die Favoriten. Zum Beispiel „Afternoons & Coffeespoons“, der wie der Mmm-Song auf dem Erfolgsalbum „God shuffled his Feet“ vertreten ist.

Schön! Und basierend auf einem Gedicht von T. S. Eliot. Hat mir Wiki Peda gesagt.

Oder mein persönlicher Favorit, der sich auch in meinen Jahrescharts 1996 oder 1997 sehr hoch platzierte – genau kann ich’s nicht mehr sagen, da ich die Hitlisten damals wöchentlich auf Collegeblocks verfasste und diese (hoffentlich) am Dachboden (hoffentlich nicht) inmitten von Katzenscheiße liegen.

Und da dachten alle, „Geek stink breath“ von Green Day wäre das übelste Zahnvideo.

Wer sich bis hierher durchschlug, wird sich vielleicht auch noch dafür interessieren, wie ich überhaupt letztens der Crash Test Dummies andächtig wurde.

Breaking Bad! Denn irgendwann in Staffel drei der qualitativen Überdrüber-Serie spielen’s diesen Song:

Es stellte sich heraus, dass der versierte Mann an der Mundharmonika Son of Dave aka Benjamin Darvill ist, ein langjähriges Mitglied der Crash Test Dummies. Für mich die Bestätigung: Ich wusste doch immer, dass die geil sind!

Und – ich glaub zwar nicht, dass es ein offizielles ist, aber – das Video passt ja auch ganz gut zu Halloween. Aber mir wie gesagt egal.

Hero(in)

Schade, dass viele erst sterben müssen, damit sich wieder einmal eine breitere Öffentlichkeit für ihre Musik interessiert. Jetzt auf einmal mögen alle Lou Reed (wieder). Ein paar Tage lang werden seine berühmtesten Lieder – Hits hatte er ja eigentlich nie – da und dort pflichtschuldig gespielt werden. Und dann: On to the next one. Aber so läuft das halt. Und wir am Blog machen natürlich mit! Aus aktuellem, traurigem Anlass hier also drei meiner persönlichen Lieblingssongs von Lou Reed aus den Velvet Underground-Jahren:

3. The Black Angel’s Death Song:

Dunkler, radikaler und dissonanter hat 1967 kaum jemand geklungen. Und heute?

2. Stephanie Says

Das zynische Arschloch Lou Reed hatte auch eine sanfte, melancholische, verwundbare Seite. Songs wie „Stephanie Says“ zeugen davon. Einfach. Und schön. Einfach schön. „It’s so cold in Alaska“.

1. All Tomorrow’s Parties

„And what costume shall the poor girl wear / To all tomorrow’s parties?“ Nie hat jemand schöner über Tod und Abschied gesungen als Nico. Dabei konnte sie gar nicht richtig Englisch. Und richtig singen konnte sie wohl auch nicht. Aber genau deshalb ist das hier eines meiner absoluten Lieblingslieder. Ever.

Nico (schon 1988 tragisch verstorben) und Lou haben sich selbst das berührendste Requiem geschrieben.

Vom Laster überfahren

Konzertbericht: Truckfighters, PMK, Innsbruck, 15. Oktober 2013

Das digitale Zeitalter treibt bisweilen seltsame Blüten. So auch im Falle der Truckfighters: 2011 erschien eine ironisch gefärbte „Fuzzomentary“ (also Doku) über die schwedische Stoner-Rock-Formation, in der die Truckfighters von Genre-Giganten wie Josh Homme, Nick Oliveri oder einigen Kyuss-Typen in den (Wüsten-)Himmel gelobt werden.

Der Ansatz der Doku ist aberwitzig und absurd: Josh Homme beispielsweise erinnert sich an seine Volksschulzeit, als ihm sein Vater von einer Band namens „Truckfighters“ erzählt habe – obwohl die Schweden natürlich deutlich jünger sind als der Kyuss- und QOTSA-Großmeister. An anderer Stelle lobt er die Truckfighters – in einem legendär gewordenen Zitat – als „the best band that’s ever existed“. Dieser Witz funktioniert eigentlich nur, weil die Truckfighters im Vergleich mit  Queens Of The Stone Age & Co. nur eine relativ kleine, höchstens in eingeschworenen Stoner-/Retro-Rock-Kreisen bekannte Band sind, weil also, überspitzt formuliert, keine Sau die Truckfighters kennt. Köstlich, wie einer der Interviewten ausweichend sagt: „I see their name around, so I know they’re doing … what they’re supposed to be doing“.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen sind die Truckfighters nämlich – dem Netz und ihrem Ruf als exzellente Liveband sei Dank – tatsächlich so etwas wie (mittlere) Stars geworden. Wo sie auch hinfahren, spielen sie vor ausverkauften Häusern – und auch im proppenvollen PMK wurden sie von enthusiasmierten, erstaunlich textsicheren (!) Fans euphorisch empfangen.

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Wochenend-Playlist #2

Und hier die Playlist der Party von Freitag. Am Ende wurden leider nicht mehr alle Titel gespielt (Sorry Mischa 🙂 ), aber das meiste kam wohl, wenn ich mich recht erinnere, dran.

Vor-Fußball-Playlist (18:45-20:45)

1. Spoon – My Mathematical Mind (5:02)
2. Yeasayer – Wait for the Summer (4:53)
3. Junip – Suddenly (3:26)
4. Fuck Buttons – Stalker (10:09)
5. Simple Minds – Teardrop (5:33)
6. Chet Faker – No Diggity (3:41)
7. Get Cape, Wear Cape, Fly – 065 D.A.N.C.E (3:57) Weiterlesen

Wie ich doch noch Affen-affin wurde

Album-Rezension: Arctic Monkeys – AM

Arctic_Monkeys_-_AM

Eingangs muss ich gleich eines zugeben: Die Arctic Monkeys haben bei mir lange nicht so recht gezündet. Schwer zu sagen, woran das lag. Vielleicht daran, dass ich mich bei Erscheinen des explosiv einschlagenden Debüts „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ (2006) schon einigermaßen an der „New Class of Rock“ der frühen und mittleren Nullerjahre sattgehört hatte. Vielleicht auch daran, dass mich die Hype-Maschine auf der Insel, die pausenlos irgendwelche Bands, DJs und Solokünstler hochjazzt, um sie dann mindestens ebenso schnell wieder fallenzulassen, generell ein bisschen nervt.

Jedenfalls fand ich die hysterisch abgefeierten Songs wie „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ oder „When The Sun Goes Down“ zwar ganz ok, aber leider nicht wirklich aufregend oder gar berührend. Und danach verschwanden die Monkeys für ein paar Jahre überhaupt von meinem Radar (auf dem sie nie wirklich aufgetaucht waren).

Dabei hätten mir die Buben aus Sheffield grundsätzlich sympathisch sein müssen. Das waren keine engstirnigen Rockisten, sondern intelligente und energiegeladene junge lads, die mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen, gerne Hip-Hop hören und so weiter. Und auch das, was ich von ihren Nebenprojekten so mitbekam, etwa den dreckigen Rap-Rock von Mongrel oder den barocken Pop von Alex Turners Supergroup The Last Shadow Puppets, gefiel mir eigentlich recht gut.

Das Lied, mit der ich erstmals wirklich Zugang zu den Inselaffen fand, war dann kurioserweise „Don’t Sit Down ‚Cause I’ve Moved Your Chair“ vom ansonsten nicht gerade hochgelobten 2011er-Album „Suck It And See“, ein fetter, psychedelischer, eindeutig von US-amerikanischen Einflüssen geprägter Hardrock-Kracher.

Apropos amerikanische Einflüsse: Seit dem 2009er-Album „Humbug“, das von Josh Homme koproduziert wurde, sind die Arctic Monkeys mit dem – in jeder Hinsicht – großen Kyuss- und Queens-of-the-Stone-Age-Mann befreundet. Eine Begegnung, die den bleichen englischen Milchbubis sicher nicht geschadet hat. Denn auch wenn aus den Monkeys keine Wüstenrockband geworden ist, klingen sie auf ihrem neuen Album „AM“ deutlich grooviger, sexuell aufgeladener, gefährlicher – genau jene Eigenschaften, die bekanntlich auch die Queens auszeichnen.

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