Archiv der Kategorie: Ein Thema – viele Songs

The Answers to the Questions. Zehn musikalische Momente bei David Lynch

„Verstörend“ ist ein Wort, das die aktuelle weltpolitische Lage in Nah und Fern recht gut (oder eben schlecht) auf den Punkt bringt. Verstörend ist zugleich jenes Adjektiv, an das ich beim Werk des unlängst verstorbenen Filmemachers David Lynch als erstes denken muss.

Leider haben diese beiden Arten von verstörend wenig miteinander zu tun. Denn bei Lynch waren (und sind) verstörende, alptraumhafte Elemente stets gepaart mit Schönheit, ergreifender Melancholie und oft genug auch skurrilem Witz. Damit ist sein filmisches Schaffen denkbar weit vom oft trostlosen Alltag entfernt, ein perfekter Ort für Eskapismus – und damit derzeit wichtiger denn je. Umso trauriger stimmt daher die Nachricht von seinem Tod.

Dazu muss man Lynch sicher nicht idealisieren: War er ein schwieriger Mensch? Vermutlich. Ist er hin und wieder falsch abgebogen, etwa in seinem fast missionarischen Einsatz für die Transzendentale Meditation? Wahrscheinlich. War das Frauenbild in seinem Werk teils allzu „Damsel in distress“-lastig? Möglich.

Das alles ändert jedoch nichts am visionären Werk von einzigartiger Faszination, das er hinterlassen hat. Ein Element, das in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen ist, war und ist dabei die Musik. Viele unvergessliche Momente im filmischen Lynch-Kosmos sind mit Musik verbunden, sowohl mit solcher, die eigens dafür geschaffen wurde – allen voran vom kongenialen Komponisten Angelo Badalamenti oder etwa von Julee Cruise –, als auch mit bereits existierenden Songs, Stichwort: „Blue Velvet“, das den gleichnamigen Film in der Version von Bobby Vinton abgründig-schön eröffnet, oder Chris Isaaks „Wicked Game“, das durch „Wild at Heart“ erst so richtig berühmt wurde.

Sogar den an sich lächerlichen teutonischen Bombast-Schock-Rrrockern von Rammstein verhalf David Lynch in „Lost Highway“ zu einem großen (Schock-)Moment, womit ihm zugleich das (fragwürdige) Verdienst zukommt, deren, nun ja, Weltkarriere kräftig angeschoben zu haben.

Aber David Lynch hat der Welt auch selbst originelle, im besten Sinne seltsame Musik hinterlassen, auf mehreren Soloalben und in Form zahlreicher Kooperationen – das 2024 gemeinsam mit der Musikerin und Schauspielerin Chrystabell veröffentlichte Album „Cellophane Memories“ ist diesbezüglich nun quasi Lynchs Abschiedsbrief.

Hier nun, chronologisch und thematisch ungeordnet, zehn persönliche Musik-Momente, die ich mit David Lynch verbinde:

1.) Peter Ivers – In Heaven (Lady in the Radiator Song)

In David Lynchs finsterem 1977er-Debüt „Eraserhead“ ist schon vieles angelegt, was sein Werk insgesamt ausmachen sollte – auch im Hinblick auf den Musikeinsatz. Wenn die seltsame Frau hinter dem Heizkörper die Zeile „In heaven everything is fine“ anstimmt (der Text stammt übrigens von Lynch selbst), dann klingt das, trotz oder gerade wegen der himmlischen Melodie, weniger nach einem paradiesischen Versprechen als nach einem höchst bedrohlichen Szenario.

2.) Au Revoir Simone – Lark
„Twin Peaks: The Return“ (2017), über 25 Jahre nach der epochalen Originalserie erschienen, brachte – wie von Lynch nicht anders zu erwarten – keinerlei kommerzielle Aufweichung. Im Gegenteil ist die dritte Staffel (noch) viel düsterer und experimenteller ausgefallen, bildet teilweise einen nur schwer zugänglichen und verdaulichen Brocken, fällt in einzelnen Sequenzen geradezu hermetisch aus. Der Humor der ersten beiden Staffeln ist nur noch in Spurenelementen aufzufinden (Dougie Jones!), fehlt aber eben nicht völlig. Dazu zählt auch der Running Gag, dass im Roadhouse, der eher grindigen Dorfkneipe von Twin Peaks, ein angesagter Alternative-Act nach dem anderen auftritt – was bei einer solchen Provinz-Bumsn natürlich äußerst unrealistisch wäre. Jedenfalls gehören die in Musikvideo-Länge präsentierten „Live“-Auftritte zu den Highlights der Staffel: Au Revoir Simone, die Chromatics, die Cactus Blossoms, Eddie Vedder, Julee Cruise – an berührenden bis magischen Momenten mangelt es nicht.

3.) Roy Orbison – In Dreams
Über die Rolle der Traumlogik (oft eher: Alptraumlogik) im Lynch-Kosmos wurde schon tausendfach geschrieben. Hier tritt sie bereits im Titel des (in „Blue Velvet“ verwendeten) Roy-Orbison-Klassikers in den Vordergrund. Wobei auch hier gilt: Den „candy-coloured clown they call the sandman“, der jede Nacht auf Zehenspitzen durchs Zimmer schleicht, sieht/hört man danach mit ganz anderen Augen und Ohren.

4.) David Lynch – Strange and Unproductive Thinking
Ein einziger langer, Trance-artiger Silbenschwall und Bewusstseinsstrom, vielleicht nicht nur von Transzendentaler Meditation inspiriert, sondern auch von David Lynchs Liebe zu Bob Dylan und dessen Wortkaskaden? Lynchs bizarrer Humor blitzt jedenfalls auch hier durch, wenn es mitten in den seltsamen Betrachtungen plötzlich ganz konkret um Zahnpflege geht:
„Bringing our discussion to the realm of practical considerations, it is interesting to note the possibilities of dental hygiene and the remarkable idea of a world free of tooth-decay and all other problems associated with the teeth, tongue, or oral cavity …“ Groß!

5.) Nina Simone – Sinnerman
Okay, von einem persönlichen Lynch-Musik-Moment kann man hier kaum sprechen, denn ich hatte völlig vergessen, dass Lynchs letzter Langfilm „Inland Empire“ von 2006 mit dieser bemerkenswerten „Sinnerman“-Version von Nina Simone endet. Wie ich mich generell, abgesehen von ein, zwei verstörenden Szenen, kaum noch an diesen eher abweisenden, schwer zugänglichen Film erinnere. Höchste Zeit für eine Neusichtung!

6.) Chrystabell and David Lynch – Sublime Eternal Love
Zugegeben, man kann Song und Video ereignisarm finden – als Vermächtnis (es handelt sich um den letzten Song auf dem letzten der drei gemeinsamen Alben von Chrystabell und David Lynch) ist die zum Glück gänzlich ironiefreie Vorstellung von „Sublime Eternal Love“ aber schön und tröstlich.

7.) Julee Cruise – Falling
Als ich das Original-„Twin Peaks“ zum ersten Mal gesehen habe (teils noch auf VHS oder in atemlos gespannter Runde im Keller-Kino meines alten Kumpels Peter H.), war das – wie für viele andere – ein echtes Erweckungserlebnis. So viel Grauen! So viel Schönheit! Spannung und Trauer, Horror und Humor mühelos vereint. Sogar (oder gerade) die cheesy Seifenoper-Elemente machten süchtig. Für mich ist dieses Gefühl ganz eng mit dem einzigartigen „Twin Peaks“-Titelthema von Angelo Badalamenti verbunden. Den Vorspann mit Sägewerk und Wasserfall habe ich kein einziges Mal geskipped (wäre auch ein Sakrileg!). Und zusammen mit der ätherischen Stimme von Julee Cruise, wie Badalamenti leider schon 2022 verstorben, ist das Ganze erst recht eine himmlisch schöne und zugleich tieftraurige, kurz: erhebende Erfahrung.

8.) Rebekah Del Rio’s – Llorando
Schon wieder Roy Orbison – und von Lynch schon wieder in seltsame, fremde Welten katapultiert. Orbisons „Crying“ rührt in der geisterhaft schönen, erschütternd emotionalen spanischsprachigen Version von Rebekah del Rio nicht nur die Charaktere von Naomi Watts und Laura (huch!) Harring in „Mulholland Drive“ zu Tränen.
Die beste Szene in Lynchs bestem Film (schlechten hat er ja keinen gemacht) – und die Kulmination der halluzinogenen, unwirklichen Atmosphäre, die wie ein feiner Schleier über „Mulholland Drive“ liegt. Auf dem selben betörend-verstörenden Niveau spielt höchstens noch Hitchcocks Meisterwerk „Vertigo“ (vor dem sich Lynch übrigens in „Twin Peaks“ u. a. mit dem Figurennamen Madeleine Ferguson verneigt). Und der Rest ist … silencio.

9.) Flying Lotus – Fire Is Coming feat. David Lynch
David Lynch erzählt zu futuristischen Soundscapes eine kleine Geschichte voll alltäglicher und zugleich zutiefst verstörender Bilder. Allein, wie er am Ende den titelgebenden Satz wiederholt, muss man einfach gehört haben. Und das Video kann erwartungsgemäß auch was. Uncanny, wie die Amis sagen.

10.) Angelo Badalamenti – Laura Palmer’s Theme
Im Soundtrack zu „Twin Peaks“ gibt es zahlreiche unvergessliche, mit ebensolchen Bildern für immer verschmolzene Musikmomente: das erwähnte Titelthema, „Audrey’s Dance“, „Dance of the dream man“ (alle von Badalamenti) oder auch „Just you and I – James‘ Song“, zu dem Madeleine/Laura, Donna und James mit Blicken alles sagen. Am großartigsten – vielleicht die Essenz im Werk von Lynch UND Badalamenti – ist aber das Laura-Palmer-Thema. Das Grauen, das im oder hinter dem Schönen liegt (und hoffentlich auch umgekehrt) lässt sich nicht besser vertonen als in diesem Aufeinandertreffen zwischen dunklen Drones und einem unfassbar schönen Pianomotiv.

Hier – wie auch in Lynchs Vorliebe für nostalgische Girl-Group-Klänge, frühen Rock ‘n‘ Roll oder die schon beispielhaft erwähnten balladesken Schmachtfetzen – schimmert ein Aspekt durch, der sich für mich wie ein roter Faden durch sein Werk zieht: eine Art Sehnsucht nach Naivität und Unschuld, nach einer Zeit, in der die Welt noch voller Geheimnisse war.

Lynch selbst hat stets betont, dass man nicht immer alles (z)erklären solle. Und so reizvoll es auch sein mag, in seinen rätselhaften Bild- und Klangwelten nach versteckten inhaltlichen Hinweisen und Easter Eggs zu suchen, nach Sinn im Surrealen – viel lohnender war und ist es doch, sich einfach auf die Stimmung, die pure Atmosphäre, einzulassen.

„The Answers to the Questions“ heißt ein Lied auf dem letzten Album von Lynch und Chrystabell. Aber genau darin, diese Antworten NICHT (oder zumindest nicht ausbuchstabiert) zu geben, lag die Faszination seines Gesamtwerks.

Den Dingen ihr Geheimnis lassen. In Zeiten, in denen man mit einem Klick das Gesamtwerk von KünstlerInnen spotifyen, unbekannte Songs sofort shazamisieren und sämtliche Details und Hintergründe zu jedem Song wikipedisieren kann (ganz zu schweigen von Myriaden an Foren, in denen jede noch so kleine Kleinigkeit seziert und ad nauseam diskutiert wird), wird das immer schwieriger. Aber auch immer wichtiger. Und von der utopisch-dystopischen Zukunft mit KI reden wir hier noch gar nicht.

Natürlich ist das alles bequem und es wäre sinnlos, es zu verteufeln. Aber die totale Verfügbarkeit nimmt der Musik und der Kunst insgesamt einfach viel von ihrem Reiz, profanisiert eine fast sakrale Aura.

Lasst den Dingen (und den Menschen) ihr Geheimnis! Diese Botschaft will zumindest ich persönlich von David Lynch und seinem Werk mitnehmen. RIP!

Ol‘ ’75: Ein Dreivierteljahrhundert Tom Waits in 25 persönlichen Lieblingsliedern

Was, Tom Waits – schon 75?? Kann das sein? 
Der Schock hält nur kurz an. Zum einen hat Mr. Waits, wie kluge Leute dieser Tage bemerkt haben, bekanntlich schon als junger Mann wie ein alter Mann geklungen, ja in seiner Frühphase vielleicht sogar älter als später. Eigentlich keine schlechte Strategie, um das Alter auszutricksen. Und zum anderen wird man ja auch selbst nicht …

Aber Schluss mit der Melancholie. Die überlassen wir lieber Tom Waits, denn aufs Melancholische versteht sich bekanntlich kaum einer besser als er. Aber auch aufs Ruppige, Räudige, Pathetische, Schwarzhumorige oder schlicht und einfach Ergreifende.

Genau das möchte ich nun beispielhaft aufzeigen, der Einfachheit halber grob an der Chronologie seiner Veröffentlichungen orientiert – obwohl ich sein Werk (so weit ich es denn kenne) in völlig anderer Reihenfolge kennengelernt habe. Aber dazu später mehr. Hier nun also 25 meiner persönlichen Lieblingslieder eines meiner persönlichen Lieblingskünstler, natürlich samt Playlist. 

  1. Ol‘ ’55:
    Der erste Song auf seinem ersten Album („Closing Time“, 1973) muss natürlich auch hier am Anfang stehen. Ein Lied, das wie kaum ein anderes für ein Gefühl (eine Utopie?) von Weite steht, wie man sie vielleicht empfinden mag, wenn man auf einem einsamen Highway in den Sonnenaufgang gleitet. Natürlich ein Klischee, aber genau das macht Klischees ja aus: dass sie größer sind als das echte Leben. Even better than the real thing

  2. A Sight for Sore Eyes:
    Unter den Fans von Tom Waits gibt es mehrere Lager: jene, die vor allem sein noch eher am klassischen Songwriting geschultes, wenn auch verglichen mit dem Mainstream schon damals ungeschliffenes Frühwerk schätzen (so etwa sein inoffizieller Biograph Barney Hoskins); jene, die den teils experimentellen Wahnsinn seiner mittleren und späten Alben bevorzugen; und vielleicht auch jene, die ihn erst über seine Berührungspunkte mit der, Achtung, deppertes Wort, Hochkultur kennengelernt haben (Stichwort: Zusammenarbeit mit dem Theaterregisseur Robert Wilson). Ich kann allen Seiten etwas abgewinnen, wobei ich das gediegenere Frühwerk bisher nur zum Teil kenne. Das wunderbare, leicht betrunken klingende „A Sight for Sore Eyes“, eine typisch Waits’sche Pianoballade, die mit einem Motiv aus einem der berühmtesten traurig-schönen Lieder überhaupt beginnt (Auld Lang Syne), soll hier jedenfalls stellvertretend für den 70er-Jahre-Geschichtenerzähler-Waits stehen, der in meiner Liste sonst etwas zu kurz kommt.

  3. 16 Shells From a Thirty-Ought-Six
    Richtig interessant wird Tom Waits für mich nämlich ab seiner doch recht radikalen experimentellen Wende in den 1980ern, die meist am Album „Swordfishtrombones“ festgemacht wird. „16 Shells From a Thirty-Ought-Six“ (keine Ahnung, was der Titel bedeutet) ist dafür ein gutes Beispiel, mit seinen unverkennbaren Waits-Zutaten wie dem kraftvoll-krächzenden, wüsten Gesang und der nach Schrottplatz klingenden Percussion. Dass dabei der innere Bezug zu Genres wie dem Blues, die Waits geprägt haben, erkennbar bleibt, macht das Ganze nur noch eindrucksvoller.

  4. Jockey Full Of Bourbon
    Ein echter Waits-Klassiker von einem seiner berühmtesten Alben („Rain Dogs“, 1985). Über die rätselhaften, im (fiktiv überhöhten) Halbweltmilieu angesiedelten Lyrics könnte man sich bestimmt lange den Kopf zerbrechen. Besser ist aber, man lässt Zeilen und Bilder wie „Bloody fingers on a purple knife / Flamingo drinking from a cocktail glass / I’m all alone with someone else’s wife / Admire the view from up on top of the mast“ einfach auf sich wirken und die dazugehörigen Bilder im Kopf entstehen. Apropos Kopf: Den unheilvollen Refrain („Hey little bird / Fly away home / Your house is on fire / Your children alone“), der auch in einem David-Lynch-Film nicht fehl am Platz wäre, kriegt man dort ohnehin nicht mehr raus.

  5. Cemetery Polka
    Kurz, wild, dissonant: Die Friedhofspolka macht ihrem schaurig-schönen Namen alle Ehre. Zum ersten Mal habe ich dieses Lied übrigens nicht auf einem Album gehört (in Vor-Streaming-Zeiten musste man sich an den Backkatalog eines Künstlers schon aus finanziellen Gründen schrittweise herantasten, was sicher nicht der schlechtere Zugang war), sondern beim Liveauftritt eines mir namentlich nicht mehr erinnerlichen deutschen Sängers, der mit tollen Tom-Waits-Coverversionen im Innsbrucker Treibhaus zu Gast war. Das kleine Konzert fand, so weit ich es mir noch ins Gedächtnis rufen kann, im Vorraum (!) des Treibhaus-Kellers statt – und ich war gemeinsam mit meiner Mutter (!!) dort. Was mir heute beim Hören zum ersten Mal aufgefallen ist: Josef Hader muss sich ein schönes Sprachbild aus einem seiner Lieder („So unabhängig wia a Sau aufm Eis“) aus ebendiesem Lied geklaut haben.

  6. In The Neighborhood
    Warum ich die Behauptung über Josef Hader einfach so unverschämt in den Raum stelle? Weil es von Hader auch eine kongeniale, ins multikulturelle Wien verlegte Version von Tom Waits‘ grandioser Blick-aus-dem-Fenster-auf-das-großstädtische-Grätzel-Nummer „In The Neighborhood“ gibt. Es ist also davon auszugehen, dass er mit dem Werk von Waits vertraut ist. So wie übrigens auch Wolfgang Ambros, von dem es bekanntlich ein ganzes Album mit Wienerischen Waits-Covers gibt. „In The Neighborhood“ ist jedenfalls eines von zahllosen Beispielen, das Waits als großen Erzähler kleiner Alltagsgeschichten ausweist: “ … and Butch joined the army / Yeah that’s where he’s been / And the jackhammer’s diggin‘ / Up the sidewalks again“. Ganze Filme spielen sich da binnen drei Minuten vor dem inneren Auge ab.

  7. Cold, Cold Ground
    Zu den bemerkenswertesten Fähigkeiten von Tom Waits gehört, wie Trauriges und Schönes bei ihm textlich und musikalisch stets Hand in Hand gehen. So wie im wahren Leben ja auch.

  8. Innocent When You Dream (78)
    Apropos schön und traurig: Das hier ist eine meiner absoluten Lieblingsnummern von Waits und wahrscheinlich überhaupt unter den zehn Liedern, die mir am meisten bedeuten. „Innocent When You Dream“ klingt, als wäre es zufällig in einem verstaubten Keller auf einer uralten Schellackplatte entdeckt worden, hat etwas von einem einlullenden, tröstlichen Kinderlied, das einem die Mutter vorsingt, erzählt von der Unschuld und den Träumen der Kindheit, aber zugleich auch von Abschied und Vergänglichkeit, führt also Anfang und Ende des Lebens zusammen. Und wirkt dabei selbst wie aus der Zeit gefallen.

  9. Earth Died Screaming
    Ein denkbar harter Kontrast zum vorigen Song: „Earth Died Screaming“ stammt von Waits‘ passend betiteltem Frühneunziger-Album „Bone Machine“ und zeigt ihn von seiner wüstesten Seite – mit räudig hervorgekrächzten, alttestamentarisch-apokalyptischen Lyrics („And the moon fell from the sky / It rained mackerel / It rained trout“) nebst einem bedrohlichen Rhythmus, der tatsächlich so klingt, als würde er mit menschlichen Knochen getrommelt …

  10. I Don’t Wanna Grow Up
    Näher am Punk war Waits nie – nicht umsonst haben die Ramones (die bekanntlich diverse „Wanna“-Titel im Repertoire haben) diesen Song auf ihrem Abschiedsalbum gecovert. Und auch die Haltung, die in den Lyrics vermittelt wird – ich finde, sie gehören zu Waits‘ besten -, ist purer Punk: immer Kind bleiben, sich nicht mit der feindlichen, verlogenen Erwachsenenwelt abfinden, nicht dazugehören wollen, ein Rückzug wie zu Corona-Zeiten, aber aus Protest: „Seems like folks turn into things / That they’d never want“ oder „I rather stay here in my room / Nothin‘ out there but sad and gloom“ oder „Stay around in my old hometown / I don’t wanna put no money down / I don’t wanna get me a big old loan / Work them fingers to the bone“. Und am Ende fragt sich das lyrische Ich dann fassungslos: „How the hell did I get here so soon? / I don’t wanna grow up.“

  11. The Black Rider
    Die Vereinnahmung eines Underground-Künstlers (zu einem solchen entwickelte sich Waits lustigerweise erst in den 80ern, nach der zugänglicheren 70er-Jahre-Phase) durch die sogenannte Hochkultur birgt natürlich immer Gefahren. Auch im Fall von Tom Waits gibt es manche AutorInnen, die seine (Theater-)Kollaborationen mit dem Regisseur Robert Wilson und anderen kritisch sehen. Ich hingegen finde die Ergebnisse sehr reizvoll und spannend – hier etwa beim Titelsong von „The Black Rider“, einem Stück, das lose auf der Oper „Der Freischütz“ aufbaut. Allein, wie Waits hier mit pseudodeutschem Akzent einen reißerischen Zirkus-/Varieté-/Kuriositätenkabinett-Ausrufer gibt, muss man gehört haben. Und die Frage „Oh, may I use your skull for a bowl?“ wurde wohl nie höflicher gestellt!

  12. Cold Water
    „Mule Variations“ (1999) war mein Erweckungserlebnis in Sachen Waits – nicht nur, weil es das erste seiner Werke ist, das ich mir zugelegt habe. Sondern auch weil ich es so oft gehört habe wie wenige andere Alben; weil ich mich erst langsam in den spröden, rauen, aufs Nötigste reduzierten Sound einarbeiten musste, der klingt, als wären manche Lieder im Hühnerstall aufgenommen oder mit einem Blecheimer über dem Kopf eingesungen worden; weil ich dann umso mehr hineingekippt bin, nicht zuletzt auch ins geheimnisvolle, Sepia-getönte Artwork mit seinen seltsamen Bildern von Vogelscheuchen und Schlangenschirmen. 
    Mein musikalischer und textlicher Einstieg in den Kosmos dieses Albums (das in dieser Liste eigentlich mit deutlich mehr als drei Songs gewürdigt werden müsste) war eben „Cold Water“: Mir liegt es fern, Obdachlosigkeit zu verharmlosen oder gar zu glorifizieren, aber wenn es ein Lied gibt, das zugleich Elend und Würde eines Lebens auf der Straße bzw. am Rande der Gesellschaft (eines „Hobo“-Lebens) vermittelt, dann dieses. Scheinbar einfache Zeilen wie „Stores are open / But I ain’t got no money“,Found an old dog / And it seems to like me“, „Slept in a graveyard / It was cool and still“ oder „I’m watching TV in the window of a furniture store“ haben mich nie wieder losgelassen. „I look 47, but I am 24“, heißt es an anderer Stelle. Fragen nach Authentizität oder soziokultureller Aneignung stellen sich bei so berührenden, empathischen Bildern erst gar nicht. Und dazu noch der räudige Groove!

  13. What’s He Building?
    Dass Herr Waits ein begnadeter Geschichtenerzähler ist (übrigens auch bei seinen oft ausufernden Ansagen im Rahmen von Livekonzerten), wurde schon mehrfach erwähnt. Hier ist „Erzähler“ wörtlich zu nehmen, denn es handelt sich um eine Art Mini-Hörspiel, eine schaurige Spoken-Word-Nummer, in der ein Nachbar seine Mutmaßungen über den Sonderling nebenan zum Besten gibt: „He has subscriptions to those magazines … / He never waves when he goes by“. Keine Frau, keine Kinder, keine Freunde, dafür ein ungepflegter Rasen. Kurz: alles höchst verdächtig. Also, was treibt der Mann da drinnen? „We have a right to know“, behauptet der Ich-Erzähler – als hätte Waits die Post-9/11-War-on-terror-Paranoia um Jahre vorweg genommen. Lustig ist das Ganze übrigens auch. Wie Waits den misstrauischen Erzähler über den Nachbarn sagen lässt „… and he used to have a consulting business … in Indoneeesia“, muss man einfach gehört haben.

  14. Take It With Me
    Zu den bewegendsten Liebesliedern, die Tom Waits je geschrieben hat, zählt dieses hier. Abseits von schräger Rollenprosa geht es in einfachen, ergreifenden Worten um die letzten Dinge im Leben – um die Erinnerungen, die (hoffentlich) bleiben, wenn jemand geht, um die leise Hoffnung, dass da mehr ist als ein vergänglicher Körper („It’s got to be more / Than flesh and bone / All that you loved / Is all you own“) oder „Ain’t no good thing ever dies“. Am Ende gibt es dann eine Liebeserklärung, die zu Tränen rührt – und von Waits wohl an seine Frau Kathleen Brennan gerichtet ist, die seine Musik und sein Leben geprägt haben dürfte wie niemand sonst: „In a land there’s a town / And in that town there’s a house / And in that house there’s a woman / And in that woman there’s a heart I love / I’m gonna take it with me / When I go“.

  15. Alice
    Mit den „Alice“-Büchern von Lewis Carroll, in denen das Kindliche, Komische, Skurrile und Abgründige unentwirrbar verwoben sind, habe ich mich erst heuer näher auseinandergesetzt (der Prachtband The Annotated Alice: The Definitive Edition ist schwer zu empfehlen). Dass diese seltsam-schöne Welt mit jener von Tom Waits gut zusammenpasst, wusste ich aber schon länger. Auch hier handelte es sich um eine Kooperation von Waits/Brennan mit Robert Wilson. Der Titelsong ist eine dunkle, kühle, geheimnisvolle Jazzballade.

  16. Reeperbahn
    In mehreren tollen Nummern auf „Alice“ – etwa „Poor Edward“ oder „Table Top Joe“ – lässt Tom Waits allerlei seltsame, groteske Gestalten auftreten, durchaus im Geiste von Lewis Carroll. In „Reeperbahn“ wiederum sind es gesellschaftliche Außenseiterfiguren, von Rosie, deren rosige Wangen heute nur noch aufgemalt sind, bis zum kleinen Hans, der immer schon gern Frauenunterwäsche trug. Am Ende klingt die Nummer dann so, als würde man zu fortgeschrittener Stunde in einer düsteren Gasse einem Seemann begegnen, der besoffen an der Straßenlaterne hängt und ein altes Shanty grölt. Was so natürlich nie passieren wird und ziemlich klischeehaft wäre. Aber auch hier gilt wieder: Even better than the real thing.

  17. No One Knows I’m Gone
    Für das tragisch-morbide Pathos in Zeilen wie „The rain makes such a lovely sound / To those who’re six feet underground“ oder „I love when it showers / But no one puts flowers on a flower’s grave“ (aus dem ebenso schönen „Flower’s Grave“) war man mit Anfang 20 natürlich besonders empfänglich. Aber auch heute berühren diese kleinen, dunklen Preziosen noch, obwohl (oder gerade weil?) Waits hier bisweilen am Rande der Selbstparodie wandelt.

  18. All The World Is Green
    Apropos Pathos: Hier eine besonders schöne, hemmungslos melancholische Nummer vom Album „Blood Money“, das 2002 parallel zu „Alice“ erschien und, wieder in Kooperation mit Robert Wilson, auf dem „Woyzeck“-Stoff basiert. Einmal mehr geht es um die unerfüllbare Sehnsucht nach der Unschuld der Kindheit: „We can bring back the old days again / When all the world is green“.

  19. Hoist That Rag
    Sollte jemand ernsthaft befürchtet haben, dass Waits von der allzu gediegenen Hochkulturwelt glattgebügelt würde, belehrte ihn oder sie spätestens das experimentelle, sperrig-schroffe 2004er-Spätwerk „Real Gone“ eines Besseren. Das krasse „Hoist That Rag“ könnte einem grindigen Piratenfilm entsprungen sein, in dem sich von Skorbut ausgezehrte Freibeuter tatsächlich gezwungen sehen, noch die letzten Stofffetzen als Segel zu setzen. Wild!

  20. Going Fetal 
    Hä, wie klingt Tom Waits denn hier? Raue Stimme ja, aber das ist doch nicht seine?? Genau, hier handelt es sich vielmehr um Mark Oliver Everett (kurz: E) von den Eels, den man durchaus als einen jüngeren Geistesverwandten von Tom Waits ansehen könnte – ähnlich unberechenbar, ebenso kauzig, gleichfalls pendelnd zwischen schroffem Krächzen und unverhohlener Melancholie. Und lange Jahre ebenfalls einer meiner Lieblingsmusiker, dessen jüngste Alben leider allesamt ziemlich langweilig und einförmig ausgefallen sind. Ganz anders als sein Opus magnum „Blinking Lights and Other Revelations“ (2005), dem auch das wunderbar-schräge „Going Fetal“ entstammt. Die gegrummelten „Hey“-Rufe im Hintergrund – so schließt sich der Kreis – stammen von niemand Anderem als Tom Waits. Und der Wunsch, sich wieder ins geborgene Stadium eines Fötus‘ zurückzuziehen, ist nicht weit weg von Waits‘ eigenem „I Don’t Wanna Grow Up“.

  21. Widow’s Grove
    Einen Eindruck, wie facettenreich und faszinierend das Waits-Universum ist, gibt die aus drei Alben bestehende Compilation „Orphans: Brawlers, Bawlers & Bastards“ von 2006, die Kostbarkeiten und Seltsamkeiten aus verschiedensten Schaffensphasen von Waits versammelt. „Widow’s Grove“ hat musikalisch etwas von einem wunderbar narkotisierenden Schlummer- oder Wiegenlied (fast einen „Guten Abend, gut‘ Nacht“-Vibe). Textlich geht es hier aber denkbar schaurig zur Sache … Übrigens findet sich auf derselben Compilation tatsächlich eine gesprochene Nummer namens „Children’s Story“ – mit Sicherheit die traurigste Kindergeschichte aller Zeiten. Und damit schon wieder lustig.

  22. What Keeps Mankind Alive
    Nicht nur die Doors haben einen Song von Bert Brecht/Kurt Weill unvergesslich vertont („Alabama Song“ vulgo „Whisky Bar“), auch Tom Waits ist dieses Kunststück gelungen: Die berühmte „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“-Botschaft wird hier angemessen dramatisch vermittelt, ehe es am Ende ebenso desillusioniert wie eindringlich heißt: „Mankind is kept alive … by bestial acts“. Das sitzt!

  23. Take Care Of All My Children
    Mit 17 oder 18 war ich über die humorvolle Blasphemie auf dem Waits-Album „Mule Variations“ ein wenig erschrocken – wenn etwa in „Chocolate Jesus“ der geschmolzene Heiland als Schokoladensauce über Eiscreme gegossen wird oder ganz am Ende des Albums, im lebensbejahend-unchristlichen Gospel „Come On Up to the House“, die Aufforderung erklingt: „Come down off the cross / We can use the wood“. Hier aber, auf einem weiteren Juwel der „Orphans“-Kompilation, handelt es sich wirklich um einen lupenreinen Gospelsong (halt in Waits-Manier), dessen Botschaft, eine flehende Bitte um Schutz, mindestens genauso berührt.

  24. Army Ants
    Hier erleben wir Waits noch einmal von seiner bizarrsten und schrulligsten Seite: Der Text, den er auf unvergleichliche Weise rezitiert, könnte einem alten Lehrbuch über Insekten und Skorpione entsprungen sein – aber natürlich geht es bei all den tierischen Brutalitäten und Absonderlichkeiten eigentlich um (allzu) menschliches Verhalten. Jedenfalls ist es ein Genuss, wenn Waits Wörtern wie „moisture absorption“ auf seine Weise beikommt, um am Ende zu verkünden: „And, as we discussed last semester, the army ants will leave nothing but your bones.“

  25. Talking At The Same Time
    Das bislang letzte Studioalbum von Tom Waits, „Bad as Me“ von 2011, war mir gar nicht mehr richtig präsent – wahrscheinlich weil es nach der Zeit meiner intensivsten musikalischen Prägung erschien und zugleich knapp vor der Phase, als ich damit begann, Online-Jahrescharts zusammenzustellen, um mich wieder mehr mit aktueller Musik zu konfrontieren (ab 2012, jetzt immerhin noch in Form von „Jahresordnern“ auf der Streamingplattform). Dabei gibt es auch auf diesem Album einiges zu entdecken, von rau („Raised Right Men“) bis hemmungslos nostalgisch („Last Leaf“). „Talking At The Same Time“ wiederum lässt an das schräge Falsett in Waits-Klassikern wie „Temptation“ denken. Und besser als mit den Zeilen „All the news is bad / Is there any other kind? / Everybody’s talking at the same time“ kann man die aktuelle gesellschaftliche und (sozial)mediale Situation eigentlich nicht zusammenfassen. Was für 2011 galt, gilt für 2024 (und bald 2025) sogar weit mehr. Zeitlose Kunst eben!

    Stichwort zeitlos: Mein nächster Plan lautet jetzt, mich einmal quer durch die 17 Studioalben von Tom Waits zu hören, speziell durch jene, die ich bisher gar nicht kenne. Für irgendetwas muss der Moloch Spotify ja gut sein!   

Tribaunquiz: Playlist 2022 – Michael Domanig

Wie immer gilt die herzliche Einladung, diese handverlesene Playlist und ihre innere Logik ausführlich zu ergründen – aber bitte erst NACH dem Pubquiz im Tribaun (17. August). Sonst möge euch der erbarmungslose Quizgott auf der Stelle mit seinem Blitz erschlagen (und nein, damit ist nicht das gleichnamige, sehr empfehlenswerte Quizformat des Österreichischen Quizverbandes gemeint)!

Die allerletzten Jahrescharts – jetzt mit Bonusfeature!

Sind das hier wirklich meine letzten Jahrescharts? Es schaut fast danach aus. Nicht nur weil ich damit später dran bin denn je (unser peinlicher Claim „Die spätesten Jahrescharts der Welt“® dürfte bald ein realer Fall fürs Guinness-Buch der Rekorde werden), sondern auch weil es nach zehn Jahren (oh Gott, wohin ist die Zeit verschwunden?) und somit exakt 1000 Jahrescharts-Einträgen tatsächlich ein guter Zeitpunkt für einen Schlussstrich wäre.

Auf jeden Fall sind es die letzten Jahrescharts in der bisherigen Form. Die Grundmotivation für dieses Unterfangen war seinerzeit ja, sich mit möglichst viel aktueller Musik (jedweden Genres) zu konfrontieren, um am Puls der Zeit zu bleiben, nicht in den eigenen Hörgewohnheiten festzuwachsen, sondern im Kopf frisch zu bleiben, solange es möglich ist.

Geht man diesen Vorsatz einigermaßen systematisch an, heißt das in der Praxis, dass man sich durch unzählige Tipps und Bestenlisten hören sollte. In meinem Fall von Musikexpress über Pitchfork bis Der Standard, von Rolling Stone bis FM4, von Wolfgang Doebeling bis Katharina Seidler, von House of Pain bis Zündfunk. Dazu kommt natürlich jeder einzelne möglicherweise relevante Song, den man umgehend am Smartphone notiert, jedes potentiell interessante Album, das man in der Zeitung angestrichen, jeder Soundfetzen, den man mit Rasiercreme im Gesicht oder nach dem dritten Bier im Stammlokal eilig shazamisiert hat.

Jahrescharts zu erstellen, bedeutet also, ganze Listen abzuarbeiten, sozusagen Akkorde im Akkord zu hören. Und weil man natürlich nicht hinter sich selbst zurückfallen will, wird der (zeitliche) Aufwand von Jahr zu Jahr größer – und die Liste jedes Jahr noch später fertig.

Zahlt sich dieser Aufwand aus? Jein. Sind meine Top 100 dadurch stilistisch vielfältiger geworden? Möglich. Oder gar besser? Keine Ahnung.

Fakt ist: Mit dieser Methode hört man sich zwangsläufig durch viele, viele Sachen, die einen gar nicht wirklich interessieren, geschweige denn fesseln, berühren oder flashen – nur damit man „auch das abgedeckt hat“. Dabei sollte Musikhören nun wirklich alles sein, aber keine lästige Pflichterfüllung. Aber genau darauf kann es hinauslaufen, wenn man sich, wie ich im Fall der Jahrescharts 2020, durch weit über 1000 Titel hört, natürlich mehrfach, weil vieles beim ersten und zweiten Hören einfach durchflutscht und man nur ja nichts aus den Ohren verlieren will.


(Der Völler, von Georg Emanuel Opiz, 1804)

Wer kann und soll sich das alles anhören? Wer hat die Zeit dafür, wer Lust darauf? Gute Fragen, die uns sofort zur Art und Weise führen, wie die meisten von uns heute Musik konsumieren. Die These (nicht nur meine, sondern auch die wesentlich klügerer Köpfe): Totale Verfügbarkeit führt zu Übersättigung führt zu Gleichgültigkeit. Gerade beim Streamen ist dieses Risiko inhärent. Alles ist immer da, alles steht unterschiedslos nebeneinander. Und verliert damit an Reiz.

Genau das führte der deutsche Soziologe Hartmut Rosa kürzlich in einem Standard-Interview aus: Während man in der analogen Welt „stundenlang in Plattenläden nach der einen Schallplatte gesucht und sie dann wie einen Schatz nach Hause getragen, gehütet und gesammelt“ habe, seien heute auf Spotify 100 Millionen Musiktitel sofort abrufbereit. „Diese permanente Verfügbarkeit und Überforderung führt nun eher dazu, dass uns die Musik gleichgültig wird.“

Hinter dem Überangebot lauert also die Gefahr des musikalischen Relativismus, die Vorstellung, dass „mittlerweile eh alles gleich klingt“, was angesichts einer unendlich ausdifferenzierten Musiklandschaft natürlich ein atemberaubender Blödsinn ist. Aber so unrecht hatte Oscar Wilde wohl nicht, als er schrieb: „In dieser Welt gibt es nur zwei Tragödien. Die eine ist, nicht zu bekommen, was man möchte, und die andere ist, es zu bekommen.“

Um eines klarzustellen: Das hier soll keine verbitterte Zivilisationskritik sein; so alt bin ich (im Kopf) dann hoffentlich auch wieder nicht. Es wäre dumm, die Vorzüge des Streamings, den niederschwelligen Zugang zu faszinierenden Klängen aus allen Weltgegenden und Epochen, nicht zu nutzen. Aber: Man muss schon verdammt aufpassen, dass dabei die Magie nicht verloren geht.

Zugegeben, der Magieverlust hat natürlich vor allem mit der eigenen Abgeklärtheit bis Abstumpfung zu tun („Alles schon mal gehört, nur besser“), aber schon auch mit den Gesetzen des Mediums. Und natürlich mit dem problematischen Hang (Drang? Zwang?) zum Komplettismus. Wenn man sich selber einredet, nur ja nichts versäumen zu dürfen („Scheiße, das muss ich mir jetzt auch noch anhören“), ist das unter Garantie der beste Weg, sich den Spaß an der Musik zu verderben …

Hinzu kommt: Momentan ist nicht unbedingt ein goldenes Musikzeitalter. Gerade im sogennanten „Indie“-Bereich (worunter ich einmal grob alles von „alternativem“ Rock über Singer/Songwriterei bis Elektropop fasse) klingt vieles zwar recht nett, aber leider oft saft- und kraftlos. Gefällig, aber nicht zwingend. Ohne Punch, ohne Biss. Die Pandemie macht(e) das Ganze freilich nicht besser: Als direkte Folge der – zurecht – erzwungenen Vereinzelung erschien eine schier unüberschaubare Zahl an „intimen“, „innerlichen“, „reduzierten“ und „entschleunigten“ Aufnahmen, an Solo-Performances mit Akustikklampfe und/oder Notebook, die sich vor allem durch eins auszeichneten: Fadesse.

Genau das ist und war – und zwar auch schon vor der Pandemie – ein wenig das Problem mit Sendern wie FM4, speziell mit den Playlists unter Tag: Da ist noch immer viel Gutes und Schönes dabei, aber (zu) vieles, das eher nur dahinplätschert, zu brav und erwartbar daherkommt. (Ob das unter der neuen Senderchefin und dem neuen ORF-General besser wird, scheint angesichts schwer erträglicher Marketing-Statements wie „In seiner Ausrichtung als Jugendradio verfehlt FM4 sein Mission Statement und ist in der erreichten Zielgruppe zu spitz positioniert“ fraglich. FM4 braucht sicher eine Neuausrichtung und Verjüngung, aber bitte wieder mit mehr Ecken und Kanten, nicht mit weniger. Doch ich schweife ab …)

Auch im zeitgenössischen Hiphop geht mir momentan leider vieles bei einem Ohr rein, beim anderen wieder raus. Auch gut Produziertes (und gut produziert ist fast alles) wirkt oft beliebig und unfokussiert. Kann es sein, dass Hiphop mit dem endgültigen Durchbruch als global dominante Musikkultur in weiten Teilen an Frische und (musikalischer) Wucht eingebüßt hat?

Damit aber genug des Negativismus. Auf der Habenseite stehen bei allem Overkill und aller Überforderung auch mit Blick aufs Jahr 2020 wieder diverse schöne Entdeckungen. Mit beträchtlicher Bandbreite: Während die Nummer eins von Khruangbin klingt wie eine Vertonung von Adalbert Stifters „Sanftem Gesetz“ (vielleicht braucht es in Zeiten von Gereiztheit und Polarisierung einfach etwas Versöhnliches) und auch sonst viele Lieder in der Sammlung von Melancholie, Nostalgie und Weltflucht geprägt sind, gab es zuletzt auch auffällig viel Musik auf die Ohren, die im positiven Sinne politisiert, im positiven Sinne zornig ist.

Ob es nun um weibliches Empowerment geht (wie bei Fiona Apple oder Blackbird & Crow), um den Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus (wie bei SAULT, Run The Jewels oder Akne Kid Joe) oder um die Pandemie (wie bei gebenedeit), an Dringlichkeit und Sarkasmus fehlt es in all diesen Nummern wahrlich nicht. Die besten Zeilen lieferten dabei übrigens – alle YogalehrerInnen mögen mir verzeihen – Rocket Freudental auf Platz zwei ab:

„Um deine Schilddrüse zu heilen, muss der Energiestrom fließen. / Deshalb legt dir der Axel jetzt seine Hände auf den Wanst.“
ODER
„Weil der Peter schon geimpft ist, darf er nicht zur Masernparty. / Es ist die Energie unserer Natur, die meinem Kind die Kraft verleiht.“

In diesen Zeilen steckt alles, was man über 2020 (und 2021 und leider wohl auch 2022) mit den ganzen aggressiven Schwurblereien und all der offensiven Unvernunft wissen muss.

Und 2021, äh, lässt sich musikalisch sogar wieder um einiges besser an. Apropos: Damit das Ganze hier zumindest etwas mehr Aktualität aufweist, habe ich die Jahrescharts 2020 um einen kleinen, ungeordneten Streifzug durch das Jahr 2021 erweitert, in Gestalt von 25 Songs, die ich heuer gern gehört habe. Und die es vielleicht auch in die  Jahrescharts 2021 schaffen werden, falls es sie denn je geben sollte …

Der Vorsatz fürs neue (Musik-)Jahr ist jedenfalls klar: Den Anspruch auf Vollständigkeit (eh völlig lächerlich) aufgeben – lieber „a weng weniger“, wie Attwenger sagen -, dafür wieder mehr ganze Alben in Ruhe durchhören und die Freude an der Musik bewahren und zurückgewinnen.

Damit nun endlich zur Playlist, die 99 von 100 Titeln umfasst – alle bis auf Stigmata von Backxwash, das offenbar mit ungeklärten Samples zu kämpfen hat und das ich weiter unten verlinkt habe (ist schon allein wegen des heftigen EP-Covers lohnenswert, erst recht wegen des heftigen Songs). Damit die Spotify-Liste trotzdem 100 Songs hat, habe ich übrigens den kürzest- und bestmöglichen Füller eingefügt …

TOP 100 – 2020 (Michael Domanig):

1. Khruangbin – Pelota
2. Rocket Freudental – Ihr seid alle Yogalehrer
3. Smoke Fairies – Don’t You Want To Spiral Out Of Control?
4. Bruch – The Sinner
5. Shortparis – КоКоКо Cтруктуры не выходят на улицы
6. The Haden Triplets – Wayfaring Stranger
7. Anna Calvi – Swimming Pool (feat. Julia Holter) (Hunted Version)
8. Ohmme – Ghost
9. Porridge Radio – Lilac
10. Noga Erez – NO news on TV
11. Austra – Anywayz
12. IDLES – I Dream Guillotine
13. Fiona Apple – Heavy Balloon
14. Skylar Gudasz – Wichita Lineman
15. Backxwash – Stigmata
16. Amnesia Scanner – AS Acá (feat. Lalita)
17. Wire – Hung
18. Chris Lorenzo & The Streets – Take Me as I Am
19. William Basinski – Please, This Shit Has Got To Stop
20. The Sadies – The Most Despicable Man Alive
21. Best Coast – Rollercoaster
22. AKNE KID JOE – What AfD thinks we do …
23. 070 Shake – The Pines
24. Agnes Obel – Promise Keeper
25. Charlotte Brandi – Frieden
26. Melenas – Primer tiempo
27. Masha Qrella – Geister
28. Blackbird & Crow – The Witch That Could Not Be Burned
29. Katie Gately – Waltz
30. Sen Morimoto – Woof
31. Bruch – Bruch
32. All Them Witches – The Children of Coyote Woman
33. Torres – Last Forest
34. The Chap – Help Mother
35. Sufjan Stevens – Video Game
36. The Haden Triplets – Ozark Moon
37. Run The Jewels – Walking In The Snow
38. Hanni El Khatib – ALIVE
39. Porridge Radio – Sweet
40. Shadow Show – What Again Is Real?
41. Baxter Dury – I’m Not Your Dog
42. Soccer Mommy – yellow is the color of her eyes
43. Kevin Morby – Wander
44. Nicholas Lens & Nick Cave – Litany of the Forsaken
45. Mystery Jets – Petty Drone
46. Sparks – Self-Effacing
47. Bob Mould – Forecast of Rain
48. Wire – Off The Beach
49. The Jayhawks – Little Victories
50. Fiona Apple – Under The Table
51. SAULT – Hard Life
52. Westerman – Think I’ll Stay
53. Holy Motors – Matador
54. Ariel Sharratt & Mathias Kom – Rise Up Alexa
55. Melenas – No puedo pensar
56. Lonker See – Open & Close
57. Coriky – Say Yes
58. Porridge Radio – 7 Seconds
59. Khruangbin & Leon Bridges – Texas Sun
60. Pottery – Texas Drums Pt I & II
61. Elvis Perkins – See Monkey
62. Agnes Obel – Broken Sleep
63. Future Islands – For Sure
64. Einstürzende Neubauten – Grazer Damm
65. Run The Jewels – Ooh LA LA (feat. Greg Nice & DJ Premier)
66. Jason Isbell and the 400 Unit – Running with Our Eyes Closed
67. Melenas – 3 segundos
68. Steve Earle & The Dukes – Black Lung
69. Burna Boy – Onyeka (Baby)
70. Holy Motors – Country Church
71. Animal Collective – Piggy Knows
72. Tiña – Golden Rope
73. Wandl – Requiem (Erkennung)
74. Die Ärzte – ICH, AM STRAND
75. Lola Marsh – Darkest Hour
76. Sparks – Left Out In The Cold
77. Ohmme – Twitch
78. Austra – Mountain Baby (feat. Cecile Believe)
79. Fleet Foxes – Featherweight
80. Biig Piig – Feels Right
81. SAULT – Free
82. Khruangbin – So We Won’t Forget
83. R.A. The Rugged Man – Gotta Be Dope (feat. A-F-R-O and DJ Jazzy Jeff)
84. Ohmme – Flood Your Gut
85. Holy Motors – Endless Night
86. Skyway Man – Old Swingin‘ Bell
87. Earl Mobley – For You to Hide
88. King Hannah – Meal Deal
89. SAULT – Fearless
90. X – Cyrano DeBerger’s Back
91. Jeff Tweedy – A Robin or A Wren
92. Pearl Jam – Who Ever Said
93. Phoebe Bridgers – I Know The End
95. Smoke Fairies – Elevator
95. Earl Mobley – The Barrel
96. Saint Gallus Convention Tapes – Smokestack Lightnin‘
97. Kacy & Clayton and Marlon Williams – Light Of Love
98. Death Valley Girls – Under the Spell of Joy
99. gebenedeit – Die Viren sollen krepieren
100. Von Seiten der Gemeinde x Da Kessl – Be Prepared

Und hier als Bonus, völlig ungeordnet, 25 schöne Songs aus dem Jahr 2021:

2021 – ANSPIELTIPPS:
– Gashtla – Computermusik [Krankl Kicks]
– Danger Dan – Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt
– Noga Erez – Cipi
– Parquet Courts – Black Widow Spider
– CAT SFX – Upside Down
– Twin Shadow – Johnny & Jonnie
– Mogwai – Richie Sacramento
– Little Simz – I Love You, I Hate You
– Sophia Kennedy – Cat on My Tongue
– Attwenger – damlaung
– International Music – Insel der Verlassenheit
– Aldous Harding – Old Peel
– Cid Rim – Last Snow
– Yard Act – The Overload
– Courtney Barnett – Rae Street
– Goat Girl – Badibaba
– Kurt Vile – Run Run Run
– International Music – Misery
– Nation of Language – The Grey Commute
– Low – Days Like These
– Tocotronic – Ich tauche auf feat. Soap&Skin
– Monsterheart – EOTW (End Of The World)
– The Chills – Worlds Within Worlds
– Mogwai – Dry Fantasy
– Attwenger – a weng weniger

Musik zum Fürchten – Verstörendes für verstörende Zeiten

Düstere Nachrichten in Dauerschleife, Lockdown, soziale Abkapselung – und das Wetter ist gerade auch noch richtig scheiße. Wann, wenn nicht jetzt wäre also der richtige Zeitpunkt, an der eigenen Paranoia zu arbeiten, am besten mit ein wenig verstörender Musik?

Wie bei Filmen, Literatur und bildender Kunst stellt sich, das ist zumindest meine persönliche Einschätzung, auch in der Musik eine unheimliche, verstörende Wirkung tendenziell dann ein, wenn die Effekte dezent gesetzt werden, wenn die KünstlerInnen auf Atmosphäre bauen statt auf den akustischen Holzhammer, wenn sie geschickt mit den in uns allen angelegten Ängsten spielen.

In vielen Genres – von handelsüblichem Black Metal bis zum Horrorcore aus der Hip-Hop-Ecke – wird nicht nur bei der Schminke oft zu dick aufgetragen, sondern auch beim Sound, in einer Art Überwältigungsstrategie des Immer-härter-krasser-dunkler. Und auch bei den aktuell schwer angesagten schamanistischen Dark-(Neo-)Folk-Bands von Wardruna bis Heilung (die menschliche Knochen als Rhythmusinstrumente einsetzen und ihre Trommeln auch mal mit etwas Eigenblut weihen) ist es ein schmaler Grat zwischen erhabener Naturmystik und pathetischem Mummenschanz mit Fell und Hirschgeweih.

Wenn es um eine verstörende Atmosphäre geht, ist weniger oft mehr, sind die Andeutung und das Kopfkino oft weitaus wirkungsvoller als das allzu plakative Zeigen und Zurschaustellen. Hier nur einige sehr subjektiv gewählte Beispiele:

Paul Giovanni and Magnet – Maypole
Dass „Wickerman“ (der von 1973, bitte kein Wort über das unsägliche Remake mit Nicholas Cage) zu meinen absoluten Lieblingsfilmen EVER zählt, liegt zu einem nicht geringen Teil an den hypnotischen, sanft unheimlichen und gleichzeitig erhebend schönen Folksongs im Soundtrack. Neben „Maypole“ (mit dem heidnisch-frivolen Maitanz im Film, der den puritanischen Polizeiermittler genauso verstört wie das Publikum) lösen etwa auch „Corn Rigs“, „Gently Johnny“, „The Landlord’s Daughter“ oder „Willow’s Song“ verlässlich den selben wohligen (?) Schauer bei mir aus.

Throbbing Gristle – Hamburger Lady (live)
Das ist der erste und bislang einzige, nun ja, Song, den ich von den berüchtigten britischen Industrial/Noise-TerroristInnen kenne – aber er gibt, gerade in der Liveversion, sicher einen guten Einblick in die nachhaltig verstörende, abseitige Welt der Avantgardeformation rund um die gender-fluide, im Vorjahr verstorbene Genesis P-Orridge. Auch ohne Wissen um das Schicksal, das dem furchterregenden Text zugrunde liegen soll, ist das Ganze eine intensive Erfahrung, wenn man sich, am besten in ohrenbetäubender Lautstärke, darauf einlässt. Wie heftig das 1978 auf eine noch deutlich weniger abgestumpfte und übersättigte Hörerschaft gewirkt haben muss, lässt sich nur erahnen. Schon allein der bizarr neben der Spur liegende Jagdhorn-Ton gräbt sich jedenfalls tief ein.
Dass hier am Ende des Songs ganz leger die Band vorgestellt und mit dem Publikum geschäkert wird, macht den Gesamteindruck nur noch bizarrer …

Amnesia Scanner – AS Acá (feat. Lalita)
Ebenfalls erst heute zum ersten Mal gehört und gesehen: Das aus Finnland stammende Elektro-Duo Amnesia Scanner macht hier mit der Sängerin Lalita gemeinsame verstörende Sache, musikalisch wie auch visuell. Das klingt ein wenig nach Björk auf einem schlechten LSD-Trip oder, wie es in den Kommentaren treffend heißt: „This would be the track Shakira would record if she was possessed by a ghost from colonial times.“ Wüst verfremdeter, leiernder Avantgarde-Noise-Latin-Pop/R&B. Oder so.

Ähnlich fordernd-bizarr (und ja, durchaus ein wenig anstrengend) sind Amnesia Scanner übrigens auch bei Tracks wie „AS Tearless“ und „AS Going“ unterwegs, beide ebenfalls mit alptrauminduzierenden Videos ausgestattet. Dass Amnesia Scanner jedem (!) ihrer Tracks ihre Initialen voranstellen, verstärkt das irritierende Gesamtbild noch weiter.

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Bend it like Krankl – Fußball und Pop in Österreich

Aus dem internationalen (Club-)Fußballgeschehen habe ich mich schon vor vielen Jahren weitestgehend ausgeklinkt. Nicht nur aus Altersgründen (spätestens seit ich selber nicht mehr hobbymäßig kicke, kommt mir der TV-Konsum von Fußballspielen meist schal und sinnlos vor), sondern vor allem weil ich nicht mehr wirklich nachvollziehen kann, wie man heutzutage überhaupt noch „Fußballfan“ sein kann – zumindest Fan jener Handvoll internationaler Spitzenclubs, die die hohe Fußballwelt unter sich aufteilen.

Dafür müsste man nämlich auch Fan von internationalem Hardcorekapitalismus sein (selbstredend ohne gleichberechtigte Wettbewerbsvoraussetzungen, wie sie das Grundkonzept der Freien Marktwirtschaft zumindest theoretisch vorsähe, dafür mit jeder Menge Verzerrungen zugunsten der Großen), man müsste den Grundsatz „Wer das Gold hat, schafft an“ super finden und sich mit den gnadenlosen Selbstvermarktungs-, Selbstoptimierungs- und (sozialen) Bewertungstendenzen unserer Zeit, die im Fußball besonders krass hervortreten, einfach abfinden.

Sicher, das spielerische und athletische Niveau mag heute besser sein denn je, ethnische Diversität ist in praktisch allen Ligen zur Selbstverständlichkeit geworden – aber solche positiven Aspekte sind angesichts der zahlreichen Schattenseiten eines entfesselten Fußballökonomismus nur ein schwacher Trost.

Spannend – und auf den ersten Blick überraschend – ist, dass sich parallel zur Turbokapitalisierung des Fußballs in den letzten Jahren auch ein völlig anderer Trend abgezeichnet hat: jener zur Intellektualisierung (bisweilen wohl auch Überintellektualisierung) des Fußballs. Dass sich Schriftsteller, Historiker, Philosophen, Psychologen, Politologen oder Mathematiker (sorry, leider meistens immer noch Männer) ohne Ironie und intellektuelle Arroganz, sondern ernsthaft mit den vielen Dimensionen des Fußballs beschäftigen, ist längst Alltag. Und auch ein kritischer, alternativer, von Chauvinismus und Nationalismus befreiter Zugang zum Fußball, der Kreativität, Vielfalt und Humor feiert, ist heute von „11 Freunde“ bis „Ballesterer“ keine Seltenheit mehr. Man könnte sagen: Fußball ist endgültig als „Kultur“ akzeptiert.

Und natürlich ist Fußball längst auch Teil der Popkultur im engeren Sinn – mit besonders langer Tradition im Mutterland England (Gerry and the Pacemakers, Lightning Seeds, New Order, Nick Hornby, you name it). Aber auch in Österreich gingen und gehen (Pop-)Musik und Fußball(er) immer wieder Verbindungen ein – mal grottenschlecht, mal bizarr, mal augenzwinkernd, mal wirklich lässig.

Hier nun ein kleiner Auszug an markanten Beispielen ohne auch nur den leisesten Anspruch auf Vollständigkeit:

1. Gashtla – Computermusik [Krankl Kicks] (2021):
Brandneu und brillant. Ein Wiener Hip-Hop-Künstler, erfreulicherweise übrigens mit Kitzbüheler Wurzeln, glänzt mit wunderbaren Wortspenden von Hans Krankl, der uns seine (Musik-)Welt erklärt, vom 70er-Soul bis zum „Schlllager“. Das einzige, was der Nachtfalke nicht mag, ist „diese elektronische Musik, wos heit gspüd wead“. Dass Gashtla just daraus ein grandioses Stück „Computermusik“ baut, ist hintergründig, witzig – und groovig.

2. Johann K. – Lonely Boy (Niemand mag mi) (1986)
Das Kuriosum, dass Sportler selbst zum Mikro greifen, scheint in Österreich traditionell besonders verbreitet, von sangesfreudigen Fußballlegenden wie Herbert Prohaska (übrigens ein Freund und Kenner der Oper und generell des italienischen Liedguts) über das tieftraurige „Potscherte Lebn“ des tragischen Boxers Hans Orsolics (später schön gecovert von „Der Scheitel“) bis hin zu singenden Skistars wie Toni Sailer, Fritz Strobl (Fritz & the Downhill Gang), Rainer Schönfelder, Lizz Görgl und, natürlich, Hansi Hinterseer. Zu einer veritablen Austropopkarriere reichte es beim schon erwähnten Hans Krankl. Seine charmante Version des Paul-Anka-Songs „Lonely Boy“, bis 2019 bei den „Liebesg’schichten und Heiratssachen“ im Einsatz, ist nur einer von mehreren Hits, beginnend mit „Rostige Flügel“ (zusammen mit Kottan’s Kapelle) bis hin zu „Jingle Bells“ (!).

3. Hans Krankl & Herbert Prohaska – Der Opitz und der Zwirschina (1990)
Und noch einmal Johann K., diesmal im Verbund mit Österreichs beliebtestem „Gute Nacht“-Sager Herbert Prohaska, der hier besonders beherzt, nun ja, singt. Ein schräges Zeitdokument, auch in Sachen Video (und Bartmode). Das Original ist übrigens, an nett-altmodischen Fußball-Austrizismen wie „Eisenbohnaschmäh“ unschwer zu erkennen, deutlich älter, es stammt von Gerhard Bronner und Peter Wehle aus dem Jahr 1957.
„Wir hom als klaane Gschroppn / Ein Ziel vor uns gesehen / Wir wollten sehr berühmt werd’n / und in der Zeitung steh’n / Egal, ob als Verbrecher oder Bundeskanzler gar / So wählten wir den Mittelweg und wurden Fußballstar.“ Zoing!

4. Kurt Razelli – Toni Polster Song (2014)
An Anton „Toni Doppelpack“ Polster kommt man in Sachen Fußball und Musik in Österreich keinesfalls vorbei. Die Palette reicht vom anzüglichen „Toni, lass es polstern“ an der Seite der Fabulösen Thekenschlampen (1997) (mit denkwürdigen Zeilen wie „Toni trifft den Doppelpack, Schlampen trinken Sechserpack“ oder „Der Strafraum ist mein Jagdrevier“ – „Komm, Toni, bitte jag mit mir„) über das jazzig-smoothe „Anton Polster du bist leiwand“ von DJ DSL (vulgo DJ Superleiwand, 1998) hin zu diesem Spoken-Word-Elektro-Track mit Kurt-Razelli-Qualitätssiegel. Merke: Rennen sollen die anderen, der echte Star steht da, wo er stehen muss. Nämlich vorne!

5. Kurt Razelli – Arnautovic Song (2012)
„Scheiße. Bitteschön.“ Einen sozusagen natürlichen Groove (und Schmäh) hat auch Marko Arnautovic. Hier übrigens mit feinem Feature von MC Schneckerl. Nur einer von mehreren gelungenen Razelli-Arnautovic-Tracks (man höre auch „Hey Boys“ oder den „Arnautovic Drama Song“ mit der konkurrenzlosen Zeile „Nimm mir alles, aber nimm mir nicht den Ball“).

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Going out with a bang: Ein buchstäbliches Samplefeuerwerk!

Um es in guter alter und höchst kreativer journalistischer Tradition zu sagen: Wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu und Silvester steht vor der Tür. In unseren Breitenkreisen bedeutet das für die meisten Leute, dem über die Weihnachtstage angefressenen Winterspeck zusätzlich noch ordentliche Mengen Alkohol beizumengen, sich Vorsätze für mindestens 365 Tage zu machen, welche höchstens 14 Tage anhalten, und diesen Schritt in das eher kurzlebige neue Leben mit Böllern, Raketen und allen anderen Wundern der Pyrotechnik zu feiern. Man kann zu Feuerwerk stehen, wie man will, und es gibt sicher genug, was man daran scharf kritisieren kann, von Umweltverschmutzung bis hin zu in Panik versetzten Haus- und Wildtieren. Aber schön anzusehen sind sie, darauf lasse ich nichts kommen.

Zusätzlich zum optischen Aspekt sind Feuerwerke aber auch ein akustisches Phänomen. Raketen pfeifen, quietschen, prasseln, knallen, sie explodieren scharf und unmittelbar oder dumpf und als vielfaches Echo widerhallend. Ebenso vielfältig sind die möglichen Assoziationen zu diesem Geräuschtumult, vom nostalgischen Schwelgen an unvergessliche Abende mit den Liebsten bis hin zu Analogien zu Kriegs- und Schlachtenlärm. Die meisten Leute dürften aber eher feierliche Assoziationen zum Thema Feuerwerke haben, und auch die Musikwelt bedient sich dieser Bilder und Stimmungen gerne.

Songs, in deren Songtiteln oder -Texten sich Verweise auf die wohl ästhetischste Art der Geldverbrennung finden, gibt es zur Genüge. Ich persönlich denke sofort an den entsprechenden Song von Animal Collective, oder an die Band Explosions in the Sky, welche als instrumentale Truppe zwar schlecht über Feuerwerke singen können, diese aber stets im Bandnamen mittragen. Die meisten anderen denken wohl als erstes an den Song von Katy Perry, und ich weiß jetzt schon, dass er mich nun den restlichen Tag über als Ohrwurm verfolgen wird. Die Liste könnte man unendlich fortsetzen, und für Interessierte bietet das Internet auch bereits einige Auflistungen von Songs mit „Fireworks“ im Titel. Aber in welchen Songs sind Feuerwerke auch tatsächlich enthalten? Tracks, in denen das Raketengetöse als Sample zu hören ist, sind schon etwas schwerer zu finden, aber nichts desto trotz gibt es einige nette Beispiele und jenen Stücken ist auch dieser Artikel hier gewidmet. Allerdings: Nicht jeder der  gezeigten Tracks schmiegt sich passend in eine feierliche Silvesterplaylist ein und manche Stücke dürften für einige sogar regelrecht ohrenfeindlich sein – wie es für manche Leute eben auch bei echten Knallkörpern der Fall ist.

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Helden von heit (und gestern). 42 Alternativen zum Austropop

42. Das ist bekanntlich die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.

Ganz so groß ist die Reichweite der folgenden 42 Songs, eine kleine Auswahl meiner persönlichen Lieblingslieder aus Österreich, vielleicht nicht. Aber sie zeigt doch auf, was Popmusik in und aus Österreich abseits der indiskutablen Austropop-Schublade alles sein kann. (Und dient mir zugleich als Pubquiz-Playlist. Aber das ist eine andere Geschichte).

Wham dich doch selbst! Akustischer Selbstschutz für die Weihnachtszeit

Weihnachten – das ist jene Zeit im Jahr, wo sich die Menschen kulinarisch und musikalisch noch Härteres zumuten als sonst: Karpfen, Kokosbusserln und Chris Rea. Weihnachtsgänse, Vanillekipferln und War is over. Und in Kärnten spielte ein besonders lustiger Regionalradio-„DJ“ gleich volle zwei Stunden lang „Last Christmas“ – was auf einem typischen Glühkindlmarkt eh niemandem auffallen würde, dafür aber einige Rückschlüsse auf den Kärntner Humor und den Zustand der österreichischen Privatradios im Allgemeinen zulässt.

Mit einem Wort: Es sind harte Zeiten, für den Magen und für die Ohren. Als Therapie helfen da nur ein paar rasch verabreichte, hochdosierte akustische Vitaminstöße (die entweder dem schon fast wieder abgelaufenen Musikjahr 2015 entstammen oder mir zumindest erst heuer untergekommen sind). Meine Jahrescharts 2015 gibt’s dann wie gewohnt in zwei bis drei Jahren. Hoffentlich …

1. Sleater-Kinney – A New Wave

Stichwort Jahrescharts: Da werden sich Sleater-Kinney, einst Heldinnen der Riot-Grrrl-Bewegung, nun rrreaktivierte Riot-Ladies, ganz bestimmt wiederfinden. Denn besser haben die verehrungswürdige Carrie Brownstein (die man auch aus der rundum genialen Hipster-Satireserie Portlandia kennen könnte und sollte) und ihre Bandkolleginnen nie geklungen.

2. Ezra Furman – Restless Year
Stichwort besser denn je: Das gilt auch für Ezra Furman aus Chicago: Wer den Mann nur von seinem FM4-Hit „Take off your sunglasses“ kennt und als typisches Indie-Schmindie-Hipster-Leichtgewicht abgespeichert hat, könnte falscher nicht liegen. Gerade live – und zuletzt auch auf seinen Platten – ist Mr. Furman eine einzige wilde Energieeruption, nachzuprüfen übrigens am 24. Februar 2016 im Weekender Club zu Innsbruck, wo ich ihn bereits 2014 erleben durfte, bei einem der besten Konzerte der letzten Jahre.

Mit „Restless Year“ und „Lousy Connection“ hat Furman heuer zwei meisterliche Singles vorgelegt. Manisch, panisch, hysterisch, psychotisch und absolut mitreißend. Ach ja, geblümte Kleider und Lippenstift trägt der Furman Ezra live auch ganz gerne.

3. FFS – Piss off
Stichwort geschminkte Männer in Frauenkleidern. Dieses Phänomen nennt man gemeinhin auch: Glamrock. Womit sehr elegant der Bogen zu den Sparks gespannt wäre: Die Helden des exaltierten Elektro-Glam, schon seit den frühen 70ern einschlägig tätig, haben sich mit den Nachgeborenen von Franz Ferdinand auf ein Packl g’haut (beide Bands sind Fans der jeweils anderen Formation) und heuer als FFS ein allseits hochgelobtes Album von der Leine gelassen.

„Unterproduziert“ kann man das Ganze zwar nicht unbedingt nennen, aber den Spaß, den die Bands beim Aufnehmen ganz offenbar hatten, hört man in jeder Sekunde. Und wer auf einem Kollabo-Album einen augenzwinkernden Battle-Song namens „Collaborations Don’t Work“ unterbringt, hat sowieso alles richtig gemacht.

4. Adult Books – In Love Again
Stichwort alles richtig gemacht: Das gilt auch für die Adult Books aus Kalifornien. Vom verruchten Bandnamen bis zum zeitlos-geradlinigen Punksound stimmt hier jede Zutat im Gesamtrezept. [Danke für den Tipp an den wertkonservativen Rockisten Wolfgang Doebeling und seine feine Sendung. Und für den Hinweis auf die Sendung wiederum ein kräftiges Vagöt’s God an Kollegen Phil]. Das Label der Erwachsenenbücher bezeichnet deren Sound übrigens als „surf thrillpop“. Äh, okay.

5. Culturcide – They’re not the world
Stichwort schwierige Genrezuordnung: Für die berühmt-berüchtigte Formation Culturcide aus Houston, Texas (sic!), sind die meisten gängigen Stilschubladen definitiv zu eng. Ist das experimenteller Punk? Ist das trashiger Elektro-Noise? Ist das musikalische Leichenschändung?

Auf jeden Fall war das, was Culturcide auf ihrem 1986er-Album „Tacky Souvenirs of Pre-Revolutionary America“ angerichtet haben, seiner Zeit weit voraus: In bester Guerilla-Punk-Manier wurden da fremde (und schöne!) Songs von David Bowie bis Bruce Springsteen gekapert und mit billigstem Equipment dekonstruiert, radikal umgedeutet. Ohne jeden Respekt, dafür mit umso sarkastischerem und konsumkritischerem Humor. Und all das natürlich, ohne die Künstler um Erlaubnis zu fragen (die sie eh nie erteilt hätten).

Das Ergebnis dieser feindlichen Übernahme nimmt die Medienkritik von „maschek“ ebenso vorweg wie den Bastard-Pop der Nullerjahre oder den unverschämten „Shred“-Gedanken.

Und schon zwanzig Jahre vor dem nicht minder genialen DJ Koze vulgo Adolf Noise hatten Culturcide die Idee, dem millionenschweren, selbstzufriedenen, scheinheiligen „USA for Africa/Live Aid/you name it“-Benefizkitsch eine sarkastische, sozialkritische Ohrfeige zu verabreichen.

Womit natürlich nichts gegen Idealismus und soziales Engagement gesagt sein soll, im Gegenteil. Aber gerade zu Weihnachten, wo sich alle wieder einmal in steuerschonender Wohltätigkeit überbieten (besonders die, die sich ansonsten durch gelebte Gleichgültigkeit und Ellbogentechnik auszeichnen), tut diese Attacke im Geiste des Punk einfach verdammt wohl.

„There comes a time / when rockstars beg for cash (…) and they think they’re the greatest gift of all. (…) They’re not the world / they’re not the children / they’re just bosses and bureaucrats / and rock ’n‘ roll has-beens. (…) If children are starving / let ‚em drink Pepsi. (…) There’s a choice we’re never given: to run our own lives. / Without it, your better day is just a better lie.“

In diesem Sinne: Frohes Fest!

EINSAME KUNSTWERKE, SCHIMMLIGES BROT: DIE ZEHN SELTSAMSTEN SONGTHEMEN

Liebe und Triebe, Eifersucht und Gier, Einsamkeit und Depression, politische Unterdrückung und Widerstand, harte Drogen und schnelle Autos: Unzählige Songs in unterschiedlichster Qualität wurden und werden zu großen Themenkomplexen wie diesen geschrieben.

Aber was ist mit den etwas abseitigeren Facetten des Alltags, mit den Randerscheinungen und Spezialthemen? Wo sind die Songs über Leihbibliotheken und Schwarzbrot? Warum singt niemand über das traurige Los von wertvollen Ölgemälden oder die Schönheit des Wäschetrocknens? Wer setzt Einzelhandelsangestellten oder fast vergessenen Fußballclubs ein Denkmal?

Moment. Zu all diesen entlegenen Themen gibt es ja wirklich Songs! Und manche davon sind alles andere als schlecht, einige sogar richtig berührend. Merke: Offenbar ist kein Thema zu klein, um ein großes Lied darüber zu schreiben. Hier also eine kurze, völlig unrepräsentative Auswahl ganz schön seltsamer Songthemen:

1. DIE POESIE DES WÄSCHETROCKNENS:

Minimalistisch, kauzig, eigensinnig: „Kofelgschroa“ machen urbayerische Blasmusik, kreuzen sie aber mit den repetitiven, Trance-artigen Strukturen der elektronischen Clubmusik und einem Hang zu ausgedehnten Improvisationen. Und mit höchst reduzierten Texten, die umso mehr Raum für Assoziationen lassen.

Hinter den scheinbar sinnfreien Zeilen „Die Wäsche trocknet an der Sonne, die Wäsche trocknet auch am Wind. / Die Wäsche trocknet auch am Licht. Wie schön ist das eigentlich?“ könnte also sehr viel mehr stecken. Zum Beispiel eine Hymne an das Leben an sich.

Mit seinem kleinen, aber feinen Pfeifsolo (ab 4:54) würde „Wäsche“ übrigens auch meiner Liste von „Pfeif drauf“-Songs gut anstehen …

2. WÄSCHEWASCHEN IM MÖRDERHAUSHALT:

Bleiben wir noch kurz im Genre der Wäschesongs: Bei Serienkillers hängt der Haussegen schief. Er verdient zwar anständig und hat „‘nen guten Namen“ in seiner Branche. Doch darüber vernachlässigt Er leider seine Pflichten im Haushalt – was Sie naturgemäß stört. Denn merke: „Auch Killer [oder, wie man ergänze möchte, gerade Killer] müssen waschen gehen.“

Dabei sei es doch so simpel, wie die Freundin weiter ausführt: „60 Grad, 90 Grad, 100 Grad. / Pulver rein, Wasserhahn aufgedreht / So einfach kann das alles sein.“

Zugegeben, musikalisch ist es vielleicht nicht außergewöhnlich, was die kurzlebige Hamburger Punkformation „Dackelblut“ da abliefert. Aber der (bizarre) Gedanke zählt. Und eine Band mit einem so wunderbaren Namen (die Vorgängerformation hieß übrigens „Blumen am Arsch der Hölle“, eine der Nachfolgebands, besonders schön, „Oma Hans“) hat bei mir immer einen Stein im Brett.

3. DIE ANSTÖSSIGEN FOLGEN ENGER DAMENBEKLEIDUNG:

Wer mit einem einzigen Song über die optischen Auswirkungen allzu eng anliegender Damenbekleidung das Auslangen findet, sollte sich für diesen hier entscheiden. Schließlich ist er durchaus, äh, eingängig – und bringt sein Anliegen klar auf den Punkt: „The only lips I wanna see / Are the ones that sing.“

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