Konzertbericht: 4 hours with Seven That Spells and Jastreb, Q-West Kufstein, 18. November 2016
“Beyond. We are the dogs of the western Jazz society looking for dope. Modern, aggressive psychedelic wall of sound incorporating polymetrics and occasional Viking funeral rites; hailing from the 23rd century where rock is dead, Seven That Spells returned in time where it’s still possible to change the tragic course of the boring history.”
Wer bei dieser Selbstbeschreibung nicht sofort hellhörig wird, lebt nicht in meiner Welt. Seven That Spells verstehen sich offenbar als zeitreisende Heroen und geben ihr Bestes, um auf den Bühnen und Plattentellern der Gegenwart Riffwände zu errichten, die so geschichtsträchtig und gleichzeitig so ahistorisch im Sinne von zeitlos sind, dass jene dystopische, rocklose Zukunft nie eintreten wird. Nicht alle Helden tragen Maske oder Umhang, manchmal tut es auch eine Gitarre.
Am vergangenen Freitag durfte die Menschheit wieder hautnah mitansehen, wie der Trupp seiner ehrenvollen Mission und Vision nachgeht. Der Kulturverein KlangFarben lud die Band rund um Mastermind Niko „The Last Lord of Atlantis“ Potočnjak ins Kufsteiner Q-West ein. Zu Seven That Spells gesellt sich an diesem Abend noch deren Nebenprojekt Jastreb hinzu. Dessen Kurzbeschreibung liest sich nicht weniger wahnsinnig:
“Hailing from 13th century, these mystical troubadours failed to destroy the Earth in an apocalyptic event gone horribly awry. After this failure, making music seemed the only way to get cosmic redemption and women. By opening a diabolical rift and traveling to the future, they escaped the Catholic inquisition and are now getting ready for a second attempt at the aforementioned apocalyptic event.”
Eine gespaltene Persönlichkeit in Bandform. Die eine Seite destruktiv und aus der fernen Vergangenheit stammend, die andere aus der fernen Zukunft und mit ausschließlich guten Absichten im Gepäck, so prallen sie in der Gegenwart aufeinander. Wieso sollte man sich auch mit einer zweistündigen Tour de Force durch die verdrogte Welt aus okkultem Kraut- und Space Rock zufriedengeben, wenn diese mit (fast) demselben Personal auch vier Stunden dauern kann?
Für dieses Zusammentreffen von Gegensätzen, die gar keine sind, scheint das Q-West die perfekte Location zu sein. Metallfronten und –Gitter, welche die industrielle Vergangenheit der Halle widerspiegeln, treffen auf gemütliche Couchecken und Kaminfeuer, und neonfarbene Installationen und die Lichtshow vor und auf der Bühne tun ihr Übriges. Dieser Meinung scheinen aber nicht viele Leute gewesen zu sein, denn leider lockte die Veranstaltung deutlich weniger Gäste an, als ich angenommen hätte.
Die paar Leute, die sich trotzdem einfanden, versammelten sich aber schnell vor der Bühne, als das Vierergespann von Seven That Spells die ersten schweren Töne anschlug. Die Band hat bereits 13 Jahre auf dem Buckel, war in dieser Zeit auch außerordentlich produktiv und kann deshalb auf über zehn Studioalben zurückblicken, hinzu kommen Livealben und mehr. Mal klingen sie nach Krautrock, wie er in den 70ern nicht besser performt wurde, auf anderen Alben dominiert ausgedehntes repetitives Jammen, andernorts regiert wiederum der tonnenschwere Riff das Klanggeschehen. Und manchmal mischen sich auch jazzige und asiatische, orientalische Klänge hinzu.
Der Auftritt deckt viele dieser Facetten anschaulich ab. Die meisten der überlangen, die 10-Minuten-Marke stets überschreitenden Songs bestehen in ihrem Kern aus sich ständig wiederholenden Gitarrenmelodien. Zu diesen Loops gesellen sich zwar Spielereien und Details, die den Songs so etwas wie Struktur und Richtung verleihen, gleichzeitig wirken die Arrangements derart hypnotisch-repetitiv, als wäre man in einer Zeitschleife gefangen. Ein ironischer Effekt für ein Musikerkollektiv, das in Biografietexten derart viel mit Zeitreisethematik spielt. Der Sound ist größtenteils instrumental gehalten, wird aber immer wieder mal von zweistimmigen Gesangspassagen begleitet. Teilweise könnte das Gesungene englischsprachig sein, öfter wirkt es aber so, als würde man einer fremden fernöstlichen Sprache oder auch einer frei erfundenen oder längst ausgestorbenen Sprache lauschen.
Man kann der Band ständig dabei zusehen, wie sie mit Blicken und Gesten miteinander kommunizieren und signalisieren, wann die aktuelle psychedelische Jamsession ihr Ende finden soll und das nächste Songsegment an der Reihe ist. Und obwohl keiner der Musiker als klassischer Frontmann hervorsticht und die Band als harmonische Einheit funktioniert ist trotzdem immer irgendwie ersichtlich, dass Niko letzten Endes den Ton angibt. Doch im Grunde hat jeder der vier Momente, in denen er im Rampenlicht steht, speziell Schlagzeuger Nikola Babić kann immer wieder brillieren und mit technisch versierten Fills und Semi-Soli auftrumpfen, wenn ihm gerade kein Saiteninstrument die Show stiehlt.
Nach einer Umbaupause soll der akustische Trip mit Jastreb fortsetzen und ich bin bereits sehr gespannt, da ich die Band bereits im vergangenen Jahr als Rausschmeißer des Stick and Stone Festivals im Osttiroler Nikolsdorf erleben durfte. Dort war den Anwesenden noch völlig unklar, was passieren würde, vor allem da sie sehr spontan für eine andere Band einsprangen. Was dann folgte war eine auf bestimmt zwei Stunden ausgedehnte Version ihres mit 36 Minuten ohnehin schon überlangen Debütsongs (und damit auch -Albums) „Yggdrasil“. Ein Riff pro Stunde quasi. Den Sog und den hypnotischen Effekt, der sich aus dieser gefühlt ewig mäandernden Show ergab, werde ich so schnell nicht mehr vergessen und war auch ein Hauptgrund, dem Konzert im Q-West beizuwohnen.
Dort versammeln sich bald sechs Leute auf der Bühne. Zur Seven That Spells-Besetzung gesellte sich ein Gitarrist hinzu, der vorher am Mischpult arbeitete und immer wieder mal vor die Bühne trat, um den Sound kopfnickend zu zelebrieren. Der Schlagzeuger und der Bassist tauschten die Plätze. Zudem unterstützt der Österreicher Albin Julius, bekannt durch sein Projekt „Der Blutharsch and the Infinite Church of the Leading Hand“, die Band mit Synthesizern. Und man konnte so manches Grinsen im Publikum vernehmen – nicht zuletzt meins – als Jastreb auch dieses Set mit „Yggdrasil“ eröffnen. Dieses Mal gibt es aber eine Version auf die Ohren, die von der Länge her eher der Studioversion entspricht und mir somit fast schon wie eine Kurzversion erscheint, aber auch in dieser Form ihre Wirkung nicht verfehlt. Als Ausgleich folgen „Black Mountain“ und „North“, zwei Songs des Nachfolgeralbums „Mother Europe“, beide in sehr ausgedehnter Version. Drei Songs in fast zwei Stunden, nicht jede Band lässt so ein Szenario wünschenswert klingen. Es ist eine Kunst, Monotonie so darzubieten, dass sie sich nicht wie Stillstand, sondern mehr wie eine Reise anfühlt, bei der man mit dem Blick aus dem Fenster einer homogenen, aber sich ausreichend wandelnden Landschaft entlangstreifen kann. Und so hinterlassen Niko und Konsorten mit dem langsamen Verklingen der letzten ins Unendliche hallenden Gitarrenspuren ein sehr kleines, dafür aber äußerst glückliches Publikum.
Vielen Dank an KlangFarben für das Konzert und die verwendeten (Bewegt-)Bilder.