Konzertbericht: SPAIN, Astnersaal Wörgl (Hotel Alte Post), 28. Februar 2015
Was war das jetzt? War das Folk, Alternative Country, Texmex, Americana? War das Dreampop, Slowcore, Alternative Rock? War das gar Soul oder Gospel? So schwer dieser Abend stilistisch festzumachen war, so leicht fällt das Urteil: Der Auftritt von Spain im Wörgler Astnersaal war einer der schönsten, erhabensten und erhebendsten Konzertabende seit langem.
(Die angemessen stimmungsvollen Fotos stammen von MANFRED DALLAGO. Herzlichen Dank dafür!)
„Spain“ ist das 1993 in Los Angeles formierte, im Laufe der Jahre mehrfach umgruppierte und reformierte Projekt von Josh Haden. Wie sein Vater, der berühmte Jazzbassist Charlie Haden, bedient auch er den Viersaiter/Tieftöner/… (hier bitte Bassgitarren-Synonym Ihrer Wahl einfügen), zugleich ist er Kopf, Sänger, Hauptsongschreiber und einzige Konstante von „Spain“. An diesem bemerkenswerten Abend war er dennoch nur einer von drei gleichberechtigten Frontmännern.
Mit dem Gitarristen Kenny Lyon und dem Schlagzeuger Joel Virgel hatte Haden beim dritten seiner drei Österreich-Konzerte nämlich zwei durch und durch großartige Tourbegleiter an seiner Seite. Lyon, der aus Miami stammt und im Kongo (Zaire) und dem spanischen Sevilla aufgewachsen ist, hat schon mit den unterschiedlichsten Bands gespielt (von den Lemonheads bis NOFX) und sich zum Beispiel auch als Produzent von Latino-Gangsta-Rap-Formationen (!) seine Sporen verdient. Ein Mann für alle Fälle, wie es scheint.
Und ein Mann der kristallklaren Licks, ein Mann des unglaublich variablen, zugleich wunderbar zurückhaltenden Gitarrenspiels, wie sich im Astnersaal zeigte. Dass er auch ein Mann der Ukulele und der Melodica (!) ist, zeigte Lyon quasi nebenbei.
Mindestens genauso beeindruckend: Drummer Joel Virgel – und zwar nicht nur wegen seines grandiosen T-Shirt-Slogans („This isn’t fucking Paris“) oder der Tatsache, dass er die große Trommel barfuß bediente. Nein, es war die pure Musikalität und Spielintelligenz, die er ständig aufblitzen ließ, ohne je damit zu blenden: Ob sparsam oder wuchtig, ob gebeserlt oder gedroschen, er und sein Schlagzeug hatten immer genau das Richtige im Repertoire. Dazu steuerte der Mann, der auf der französischen Karibikinsel Guadeloupe geboren wurde, allerlei seltsame Percussioninstrumente bei – und vor allem traumhafte Vokalharmonien. Da gingen Herzen und Sonnen auf.
Selbiges galt auch für den sonoren Gesang und die bedächtigen Bassläufe von Josh Haden. Leidenschaftlich UND entspannt, das geht eigentlich nicht gleichzeitig, doch Haden und seine Band lösten diesen Widerspruch aufs Wunderbarste auf: Ein glasklares, aufs Notwendigste reduziertes Klangbild traf da auf mächtige Refrains, die wohl nur die wenigsten Indie-Schmindie-Bands wagen würden, und haltlose Leidenschaft, wie man sie sonst vielleicht von wahrem Soul oder Gospel kennt.
Ehrlichkeit ist in der Musik ja grundsätzlich eine gefährliche Kategorie. Die meiste Musik, die sich selbst „ehrlich“, „echt“ oder „authentisch“ nennt, ist in Wahrheit aufgeblasener, prätentiöser und/oder langweiliger Mist. Das Konzert von Spain war aber eines der tiefempfundensten, beseeltesten und, ja, ehrlichsten Konzerte, an das ich mich erinnern kann. Vor allem, weil die Band das Ganze mit hochsympathischem Understatement servierte, wie es nur richtige Könner hinbekommen.