Meine hundert Lieblingslieder 2013 – Platz 1 bis 20

Bevor es losgeht, ein paar kurze charttechnische Anmerkungen:

a) Die Jahrescharts in der Übersicht und als Spotify-Playlist gibt es hier, (praktisch) alle Lieder sind im Folgenden aber auch einzeln verlinkt, sehenswerte Videos direkt eingebettet.

b) März mag reichlich spät für einen Jahresrückblick sein – aber seriöserweise ist es einfach nicht früher möglich ;-). Denn im Jänner muss man erst einmal die Konkurrenz-Jahrescharts von Rolling Stone bis Pitchfork, von Musikexpress bis FM4 studieren und sich danach einen groben Überblick über all das verschaffen, was die Musiklabels vor Weihnachten noch so rausgeblasen haben. Bis man auch nur in einen kleinen Teil der interessanten Sachen reingehört hat, ist es locker Mitte Februar. Und dann geht erst das komplizierte Auswahlverfahren los …

c) Ich habe mich diesmal regelrecht dazu gezwungen, so viel aktuelle Musik zu hören wie noch nie. Am Ende habe ich mich noch einmal durch ca. 350 Songkandidaten gewühlt, um die 100 schönsten herauszufiltern – was alles andere als leicht war. Denn auch wenn Musikpessimisten das anders sehen: Es gibt heutzutage extrem viel gute Musik in fast allen (Sub-)Genres.

d) Auffällig ist aber auch: Diesmal war es besonders schwer, aus den vielen sehr guten Songs noch einmal die zehn oder zwanzig (vermeintlich) besten auszuwählen. Die ersten acht oder neun Plätze hätten allesamt Nummer eins sein können. Und weiter unten wird die Dichte nicht kleiner. Aber: Es kann halt nur hundert geben.

e) Letzte Randbemerkung: Meine Top Ten stammen heuer fast ausnahmslos von vergleichsweise unbekannten Künstlern. Für mich zeigt das: Aufregende Musik „fließt“ heute mehr denn je abseits des trägen Mainstreams.

So, jetzt aber …

1. John Grant – Blackbelt
Knochentrocken, textlich wie musikalisch, präsentiert sich John Grant auf dieser perfekten Elektropop-Nummer, fett produziert vom isländischen Elektroniker Birgir Þórarinsson vulgo Biggi Veira (den man von der Band GusGus kennen könnte). Denn genau dort, in der erstaunlich regen Musikszene von Reykjavík, ist der US-Amerikaner Grant zwischenzeitlich gelandet.

„Blackbelt“ ist eine beißende Abrechnung mit der – oder im Fall von John Grant eher: dem – Ex. Dieser wird nicht nur als Träger des schwarzen Gürtels in „BS“ (also „bullshit“) attackiert, sondern kriegt es auch sonst ironisch-elegant um die Ohren:

„You got really good taste / you know how to cut ‘n‘ paste“ ODER „You got really nice clothes / bet you didn’t pay for those“ ODER „You think you can school me in semantics / I wouldn’t recommend that, baby / I see through your antics“. Das sitzt.

Und ein schönes Fremdwort lernt man in diesem Lied auch noch: „callipygian“, abgeleitet aus dem Altgriechischen (vom Namen einer Aphroditestatue in Syrakus), bedeutet so viel wie „having beautifully shaped buttocks“. Doch das ist auch das einzig Positive, was der Sänger über den Adressaten des Songs zu sagen weiß …

Über welche Bandbreite John Grant verfügt, zeigt die musikalisch und lyrisch komplett anders geartete Nummer sechs dieser Charts. Kaum zu glauben, dass es sich hier um denselben Künstler handelt.

 

2. Tomorrow’s World – Drive

Eines der Geheimnisse von Musik liegt im Geheimnisvollen. Das mag nach einem Pleonasmus klingen, ist heute aber wohl zutreffender denn je: Denn während man in Prä-Wikpedia/YouTube/Shazam-Zeiten ewig darüber rätseln konnte, ob man diese oder jene Textzeile wohl richtig verstanden hat, wie eine Musikerin oder ein Musiker wohl aussehen mag, hat man heute vor allem eines: too much information.

Keine Frage, die totale Verfügbarkeit ist angenehm, aber ich finde, sie beraubt die Musik doch einer ihrer wichtigsten Qualitäten: ihrer mystischen, quasi unerklärlichen Dimension. ich wusste nicht, welche Musiker hinter dem Projektnamen stecken und woher sie kommen.

Inzwischen weiß ich: Tomorrow’s World sind Jean-Benoît Dunckel, eine Hälfte des mittlerweile ziemlich abgetauchten Elektropopduos „Air“ aus Frankreich, und Lou Hayter, ehemals Keyboarderin der Londoner Dancepunk/Synthpop-Formation „New Young Pony Club“ (NYPC).

Mit seinem herrlich unterkühlten, geheimnisvollen Retro-Elektronik-Charme erinnert mich „Drive“ aber weniger an „Air“ als etwa an die großartige britische Elektropop-Gruppe Ladytron („Playgirl“, „Bluejeans“). Und eines steht fest: Selbst wenn ich von Tomorrow’s World nie wieder etwas hören sollte – beim Songtitel „Drive“ werde ich in Zukunft nicht nur an R.E.M. denken …

 

3. Agnes Obel – The Curse

Eine weitere tolle Künstlerin, über die ich erfreulich wenig weiß. Agnes Obel stammt aus Dänemark, lebt in Berlin (wer nicht?) und nennt – wenn man einer beliebten Online-Enzyklopädie glauben darf – Musiker wie Roy Orbison, Joni Mitchell und PJ Harvey, französische Komponisten wie Debussy, Ravel oder Satie, aber auch Edgar Allan Poe oder Alfred Hitchcock als Einflüsse. Letzteren schätzt sie für seinen rätselhaften Stil, seine anspruchsvolle, zugleich aber extrem simple Ästhetik. Dasselbe könnte man auch über Frau Obel selbst sagen.

„The Curse“ klingt skandinavisch karg, um nicht zu sagen nackt: Nur Obels ausdrucksvolle Stimme (im schwebenden Refrain von nicht minder schönen Backgroundvocals unterstützt), ein wenig Cello (das genau die richtige Menge an Dramatik einbringt) und perlende Pianotöne. Klingt fast schon nach Neo-Klassik, erinnert aber auch an grandiose skandinavische Kolleginnen wie Maria Solheim, Anna Ternheim oder Christine Owman. So lässt man sich gerne verfluchen.

4. Johnny Flynn – Country Mile

Ist es das geheimnisvolle keltische Erbe? Oder warum passen britische Folktraditionen und psychedelische, mystische Klangstimmungen so gut zusammen? Johnny Flynn, in Südafrika geborener Engländer, lässt mit „Country Mile“ nicht nur an klassischen Britfolk denken, sondern erinnert in seiner Modulation vor allem an die versponnene, ein wenig unheimliche Kinderbuch-Psychedelik von Syd Barrett (dessen Pink Floyd-Nummern und dessen enigmatisches Solowerk ich gar nicht genug empfehlen kann). Oder an den magischen Soundtrack zum Horrorfilm-Klassiker  „The Wickerman“, den schönsten Filmsoundtrack, den ich kenne.

Der magischste Moment in „Country Mile“ ereignet sich nach etwas mehr als zwei Minuten: Plötzlich weht da eine Melodie daher wie eine halb vergessene Volksweise oder ein uraltes Seemannslied: verzaubert und bezaubernd zugleich, flüchtig und kaum greifbar.

 

5. Vieux Farka Touré – Safare
Der Mann aus Mali trägt einen großen Nachnamen: Er ist eines von zwölf Kindern des berühmten, 2006 verstorbenen „Wüstenblues“-Magiers Ali Farka Touré. Auch der Sohnemann eröffnet uns Eurozentrikern völlig neue Klangwelten, hypnotisch und kristallklar. Und beweist, dass der Klang von Worten in der Musik oft wichtiger ist als deren inhaltliche Bedeutung (die uns hier natürlich verschlossen bleibt). Warum solche Musik nicht mehr als 4400 Klicks auf YouTube hat (Stand: März 2014), davon mindestens zehn vom Autor dieser Zeilen, ist kaum zu erklären.

Beim ersten Hören dachte ich sofort auch an die Tuareg-Musiker von Tinariwen und ihren süchtig machenden Wüstenblues (nachzuhören etwa auf dem rundum großartigen 2011er-Album „Tassili“). Musik, die auch ohne halbrassistisches Gefasel vom „Exotenbonus“ besteht.

 

6. John Grant – GMF

Der kompakte Songtitel – er steht für „Greatest Motherfucker (that you‘re ever gonna meet)“ – ist radikal selbstironisch. John Grant beweist Humor – obwohl er mehr Grund dazu hätte, sich bitter zu beklagen, als die meisten anderen Musiker: Aufgewachsen in einer strenggläubigen, vermutlich ziemlich homophoben Umgebung, flüchtete er sich in Alkohol- und Drogensucht. 2012 bekannte er auf offener Bühne (konkret bei einem Auftritt mit Hercules and Love Affair auf dem Meltdown-Festival), HIV-positiv zu sein.

Auch seine Songtexte sind schonungslos ehrlich und wohl auch autobiographisch – aber eben nicht in Form von weinerlicher Bekenntnislyrik (wie man das nur allzu oft hört), sondern mit starken, originellen Bildern und schwarzem Humor, wie ein sympathischerer Morissey:

„Half of the time I think I’m in some movie / I play the underdog, of course / I wonder who they’ll get to play me / maybe they could dig up Richard Burton’s corpse“.

Auch musikalisch ist „GMF“ über jeden Zweifel erhaben (!) – mit einem der bewegendsten Refrains des Jahres. Und so ein seltsames Versprechen hat man in der Popmusik auch noch selten gehört: „(…) don’t forget: you could be laughing 65 percent more of the time“. Am Ende wird dieser Wert dann zuerst auf 63 Prozent, schließlich auf 25 Prozent reduziert …

 

7. Aloa Input – Mellow Red Ball
Ich habe absolut nichts dagegen, wenn man Musik anhört, woher sie kommt. Auch dem Mundart-Boom in der bayerischen Popkultur stehe ich prinzipiell positiv gegenüber. Formationen wie LaBrassBanda (s. Platz 66) oder Kofelgschroa (s. Platz 13 der Vorjahrescharts), beweisen, dass regionale Identität auch ohne engstirnigen Provinzialismus möglich ist.

Trotzdem ist es manchmal schön, wenn man Musik geographisch überhaupt nicht zuordnen kann. Aloa Input, deren Debütalbum „Anysome“ zu den schönsten musikalischen Wundertüten des Jahres 2013 zählt, könnten auch aus Brooklyn, Portland oder London stammen. In Wahrheit kommen sie aber aus Eichstätt, Deggendorf und dem Chiemgau. New Weird Bavaria!

Eine ganze Reihe ihrer tollen Songs („Prblms“, „Rubbish“, „Radio“, „Another Green World“ …) hätten einen Platz in diesen Charts verdient, mit ihrer schrulligen, eklektischen Mixtur aus Pop, Folk, Elektro, Krautrock, Hip-Hop und Was-weiß-ich-noch-alles, die bisweilen an den frühen Beck, die Beta Band oder mildere Animal Collective (erklärte Vorbilder des Trios) erinnert.

Primus inter pares ist aber das majestätische „Mellow Red Ball“:  Was wie eine unspektakuläre (Indie-)Popballade beginnt, entfaltet sich langsam wie eine aufblühende Knospe, zu traumhaft verwobenen Vokalharmonien.

 

8. Foxygen – San Francisco

Kalifornien findet im Kopf statt. Vieles in der Musik von Foxygen lässt einen von der ewig sonnigen, entspannten Westküste träumen – auch und gerade dann, wenn man selbst noch nie dort war. Tausend Referenzen von den Beach Boys bis zu den Byrds schwirren durchs Hirn, wenn man diesen feinen Mix aus Hippieromantik, kalifornischem Softrock und sanfter Psychedelik hört.

 

9. Temples – Colours To Life

Und gleich noch mehr wundersame, Sixties-inspirierte Musik: Was Tame Impala für 2012 waren, sind Temples für die Saison 2013/14: hemmungslos retro und heftig psychedelisch. Die stampfenden Hardrock-Grooves der australischen Kollegen fehlen bei den Engländern allerdings. Dafür gibt’s jede Menge LSD-vernebeltes Kaleidoskop-Flair (auch in den Videos), klingelnde Byrds-Gitarren und herrliche Harmonien in sämtlichen Teilen des Songs.

„Mesmerise“ (Platz 29), „Shelter Song“ und „Keep In The Dark“, die weiteren Singles vom erst im heurigen Februar erschienen Temples-Debüt, sind übrigens beinahe ebenso schön.

 

10. Brosd Koal – Und
„… sieme is gwen und glei is ochte / und wea ned in da Fruah geht, der muaß auf d’Nocht geh / und ochte is gwen und glei is neine / und hint geht’s auße und vuan geht’s eine …“

Die österreichische Antwort auf Rock around the clock? Mit seiner lakonischen, hypnotischen, scheinbar dadaistischen Zeit-Reise lässt Karl Schwamberger (der Mann hinter dem schönen Bandnamen Brosd Koal) eher an sprachverliebte Landsleute von Jandl über Artmann bis Attwenger denken.

Der Mann, den manche (aber nicht allzu viele) auch als „Laokoongruppe“ kennen könnten, rührt ungewöhnliche Soundzutaten zusammen: Mundartlyrics, die klingen, als würden sie leicht besoffen dahingejammert, treffen auf billig wirkende Elektrobeats und cremige Bläser. So entsteht, um mich selbst und einen älteren Blogeintrag zu zitieren :-), „ein Wienerlied fürs 21. Jahrhundert – auch wenn der Dialekt anscheinend Oberösterreichisch ist“.

 

11. Midlake – This Weight
Die sphärischen Folkrocker aus Texas mussten 2012 den Ausstieg ihres Sängers und genialen Hauptsongschreibers Tim Smith verkraften – und zwar mitten in den Aufnahmen für ein neues Album. Doch statt aufzugeben, begannen die verbliebenen Bandmitglieder einfach noch einmal ganz von vorn. Den Part des Sängers übernahm dabei Gitarrist Eric Pulido (der schon bisher zu den traumhaften, Midlake-typischen Vokalharmonien beigetragen hatte).

Schön wenn die scheinbaren Band-Underdogs auf einmal stärker zum Zug kommen – noch schöner, wenn das Ergebnis kaum weniger erhaben, ja sakral klingt als Midlake-Klassiker wie „Acts Of Man“, „Head Home“ oder „Roscoe“. Besonderer Bonus: Das erste Wort im Chorus (ca. 2:36) klingt fast so wie mein Nachname, auf Englisch ausgesprochen :-). Ein klassischer Fall von „Agathe Bauer“-Syndrom.

 

12. Jonathan Wilson – Dear Friend  

Jonathan Wilson hat viel dazu beigetragen, die sogenannte „Laurel Canyon“-Musikszene wiederzubeleben – deren goldene Zeit ungefähr dann endete, als er geboren wurde (1974). Historisch steht dieser Begriff für melodieseligen Softrock à la James Taylor, Jackson Browne, The Mamas & the Papas, Eagles oder America, aber auch für grandiosen Folkrock von den Byrds und Flying Burrito Brothers über Neil Young bis Joni Mitchell.

Wilson, Ausnahmekönner im weiten Feld zwischen Folk- und Psychedelic-Rock und offensichtlich bestens vernetzt, knüpfte an diese großen Traditionen an, indem er zahllose Musiker zu privaten Jamsessions in die Hollywood Hills einlud – zum Beispiel Mitglieder von Wilco und den Jayhawks, von den Black Crowes und den Heartbreakers. An seinem zweiten Soloalbum, dem hochgelobten „Fanfare“ (2013), waren unter anderem David Crosby und Graham Nash, Jackson Browne, Mike Campbell, Patrick Sansone (Wilco) oder die Britfolk-Legende Roy Harper beteiligt.

Das siebenminütige „Dear Friend“ bietet großes Kino: wunderbare Harmonien, milde Psychedelik, einen spannungsgeladenen Aufbau, entspanntes Gegniedel im ausgedehnten Mittelteil. Und der Titel passt auch: Denn Freunde hat Wilson ja offenbar mehr als genug.

 

13. Arctic Monkeys – R U Mine?
Die ehemaligen britischen Milchbubis sind seit ein paar Jahren gute Spezl’n von Josh Homme (Queens Of The Stone Age), leben dem Vernehmen nach inzwischen selbst in den USA und klingen auch – im positiven Sinne – amerikanischer als früher: grooviger, fetter, sexyer.

Neben muskulösen Rockhymnen wie „R U Mine?“ (als Single schon 2012 veröffentlicht) bietet das fünfte Affen-Album „AM“ auch eine Extraportion an schleichenden Soul- und Funk-Grooves. Sicher: „R U Mine?“ mit seinen feisten Hooklines und seinem mächtigen Refrain ist letztlich Stadionrock – aber eben verdammt guter Stadionrock. Und davon gibt es ohnehin viel zu wenig.

 

14. Yo La Tengo – Cornelia and Jane
Ich geb’s ja zu: Anfangs fand ich „Fade“, das bereits 13. Yo La Tengo-Album, eher (Achtung, Wortspiel des Jahres) … fade. Schließlich hatte ich die Alternative-Helden aus Hoboken, New Jersey, eher als experimentelle, sogar lärmige Rockband abgespeichert. Das ist auf „Fade“ höchstens noch in Spurenelementen zu bemerken.

Dafür gibt es aber feine, unaufdringliche Melodien und sanfte Arrangements, die erst nach und nach hängenbleiben (Anspieltipps: „Is That Enough“, „Ohm“, „The Point Of It“, „Stupid Things“). Am schönsten ist das delikate, filigrane „Cornelia and Jane“, gesungen von Schlagzeugerin Georgia Hubley, geprägt von einer repetitiven, in sanfte Trance versetzenden Gitarrenfigur. In der Zurückhaltung liegt die Kraft – zumindest hier.

 

15. Glass Animals – Psylla

Als hätte es noch eines weiteren Beweises bedurft: Die Psychedelik ist zurück in der Popmusik (und war ja nie völlig weg)! Die „Glass Animals“ aus Oxford – der Bandname hat wohl eher nix mit Swarovski-Glumppert zu tun – legen mit „Psylla“ einen wunderbaren kleinen Trip hin, irgendwo zwischen Rock und Elektronik. Experimentell wie Alt-J, schrullig wie die Bees oder die Beta Band, inklusive eines rätselhaften, sich mantraartig steigernden Refrains:

„Stop swaying when the moon is shaking thou / makes mama throw her hands and flip around / Back lashing with a bullet full of love / makes Papa wanna crawl up his old truck“.  Äh – wie bitte??

 

16. CocoRosie – After The Afterlife

„After The Afterlife“ finde ich viel schöner als das gleichfalls 2013 erschienene „The Afterlife“ von Arcade Fire: Denn die beiden schrägen Casady-Schwestern klingen einfach deutlich … jenseitiger. Einmal mehr fügen sie scheinbar unvereinbare Elemente zu einem so noch nicht gehörten Klangbild zusammen, in diesem Fall cheesy Spacegitarren, fiepende Synthies, typisch kindlichen Gesang in der Strophe und einen wie von der Märchenfee gehauchten Refrain.

Im Grunde genauso gut: „Gravediggress“, wo Bianca und Sierra sogar Beatboxing einbauen.

 

17. Akron/Family – No-Room
Auf den Namen Akron/Family wurde ich 2012 durch das gewalt(tät)ige Doppelalbum „The Seer“ aufmerksam, auf dem die New Yorker Lärmgötter Swans neben anderen illustren Gästen eben auch diese Folk/Experimentalrock-Truppe zu Gast hatten. Der grimmige Swans-Kopf Michael Gira (zugleich auch Labelchef von Akron/Family) beschreibt ihren Sound als „grizzled Beach Boys, fully bearded and flea infested willfully surrendering to the lysergic gas attack“.

Und diese bizarre Beschreibung trifft es eigentlich nicht schlecht: Komplexe Vokalharmonien (wie von ergrauten, vollbärtigen Beach Boys) treffen auf ausufernde, bisweilen lärmige Soundexperimente. Der intensive, fast siebenminütige Albumopener „No-Room“ führt das exemplarisch vor Augen: Nach Halbzeit eins mit den herrlichen, sich manisch steigernden „On my own“-Chören führt die zweite Hälfte des Songs in dunklere, psychedelischere, experimentellere Gefilde. Die düsteren Drones der Swans sind hier nicht mehr weit.

Akron/Family leben übrigens – trotz ihres Bandnamens – nicht in Ohio, sondern in Portland, Tucson und New York, alles Städte mit quirligen alternativen Musikszenen.

 

18. Golden Suits – Swimming in `99

Die Golden Suits sind ein neues Projekt von Fred Nicolaus, den manche (ich nicht ;-)) von der experimentellen Rockband Department Of Eagles kennen könnten (die er gemeinsam mit Daniel Rossen von Grizzly Bear betreibt).

Die Single „Swimming in `99“ ist perfekter, wundervoll melancholischer Folkpop, wie ihn auch die großen Shins nicht besser hinbekommen könnten. Das Lied erzählt von erloschener Liebe („How can it go / like a fire in the night / out of its own / that heavenly light?“) – und von Brillengläsern, die beim Schwimmen verlorengehen.

Grandios auch obiges Video, in dem Nicolaus versucht, in Manhattan sämtliche Exemplare des Buchs „The Stories of John Cheever“ zusammenzukaufen – ein Werk, das ihn offenbar stark beeinflusst hat.

Den Hinweis auf die Golden Suits verdanke ich Rupert Heim, der in seinem Innsbrucker Plattenladen „arcustik“ regelmäßig zu exquisiten Hörabenden ohne Scheuklappen einlud, leider fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Inzwischen gibt es diese kleine Musikoase nicht mehr …

 

19. Foxygen – Shuggie 
Ob dieses Lied wohl eine Anspielung auf den R&B- und Bluesmusiker Shuggie Otis ist? Ich war bis vor Kurzem ja der Meinung, der Song heiße „Shuggle“ und nicht „Shuggie“ ;-).

Wie dem auch sei: Foxygen fahren hier so viele melodische Ideen, Brüche und Tempowechsel auf, dass andere Bands daraus mindestens drei Songs basteln würden. Und auf dem hymnischen Refrain kann man surfen wie auf einer sanften kalifornischen Welle.

 

20. Future Of The Left – Something Happened
Die walisischen Noiserocker – quasi Nachfolger der von mir ebenfalls kultisch verehrten Lärm-Psychopathen Mclusky – erweitern auf ihrem neuen Album „How To Stop Your Brain In An Accident“ ihr Arsenal, schlagen neue Richtungen ein: Der Album-Closer „Why Aren’t I Going To Hell“ klingt z. B. stark nach Tom Waits, auch der Lärmpegel wird manchmal zurückgefahren.

„Something Happened“ wiederum macht seinem beunruhigenden Titel alle Ehre. Piano-Geklimper wie aus dem Geisterhaus, paranoider Sprechgesang von Andy Falkous, plötzlich durchbrochen von irrealem Sitcom-Applaus: Man fühlt sich ein wenig an die verstörenden Hasen-Videos von David Lynch erinnert. Falkous singt es selbst: „Things. Are. Akward.“

Fast noch verstörender gerät die zweite Liedhälfte: Da wechselt Falkous plötzlich in die sonore Tonlage eines schmierigen Werbeansagers oder B-Movie-Darstellers, der irgendwas von der Sonne faselt, die hinter den Wolken hervorkommt und einen goldenen Strahl auf die Lichtung sendet … Alles sehr seltsam – und sehr toll. Das gilt auch für den vielleicht bizarrsten Refrain der letzten Jahre:

„Yeah, I’m down on my knees / begging for scraps / or the skin from your lips. / I am using my tongue / to chase off the flies / from the balls of your feet …“ 

 

HIER GEHT’S WEITER MIT DEN JAHRESCHARTS, PLATZ 21 BIS 40!

6 Gedanken zu „Meine hundert Lieblingslieder 2013 – Platz 1 bis 20

  1. Pingback: Meine Jahrescharts 2013 – Michael Domanig | H(eard) I(t) T(hrough) The Bassline

    1. Michael Domanig Beitragsautor

      Wo? Z. B. Platz 17, 20, 23, 28, 36, 38, 40, 46, 62, 74 (!), 81, 88, 92, 94, 97 oder 99 (!) 😉
      Hör dir die mal alle an, dann diskutieren wir weiter …

      Und Wohlklang/subtile Arrangements sollte man nicht mit Indie-Schmindie gleichsetzen. Sonst könntest du auch behaupten, die Beach Boys, Simon & Garfunkel oder Grateful Dead seien „Indie-Geschwurbel“!

      Antworten
  2. Captain Future aka Michi H.

    geile liste, bis auf ein paar interpreten bzw. songs gefällt mir das ganz gut.

    weiter so

    freundschaft
    captain future

    Antworten
    1. Michael Domanig Beitragsautor

      Hey, danke, Captain Future ;-)!

      Im April warten übrigens – speziell im PMK – wieder einige Konzerthighlights (siehe Randleiste), solltest auch du dir nicht entgehen lassen. Und Mike P. hat auch schon wieder eine Einladung zum Poolbar-Festival ausgesprochen …

      Antworten
  3. Pingback: Vom Dröhnen der Drohnen. Oder: Männer, die auf Mac-Books starren | H(eard) I(t) T(hrough) The Bassline

Schreibe einen Kommentar zu Michael Domanig Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert