Konzertbericht: The Bambi Molesters und Dave & The Pussies, PMK, Innsbruck, 12. September 2013:
Erste Frage: Was ist Globalisierung? Vielleicht das hier: Eine Band aus dem Tiroler Unterland (Dave & The Pussies) und eine aus dem kroatischen Sisak (The Bambi Molesters), die sich ein zutiefst amerikanisches Genre, nämlich instrumentalen kalifornischen Surfrock, so einverleiben, dass sich die – ohnehin blödsinnige – Frage nach „Authentizität“ gar nicht erst stellt.
Zweite Frage: Darf man einen Blogkollegen auf dessen eigenem Musikblog über den grünen Klee loben (oder, wie man in Fieberbrunn sagen würde: „herfoppen“), ohne sich der Freunderlwirtschaft schuldig zu machen? Ich finde: Man darf. Wenn es gerechtfertigt ist. Und das ist es bei Dave & The Pussies, die im PMK als Vorband der Bambi Molesters brillierten, auf jeden Fall.
Eingangs zwei Zitate meiner geschätzten Schreibclub-Genossin und Vielleichtbaldblogmitautorin Vici S., die sich den Surfrock-Doppelpack mit mir zu Gemüte führte: „Wos der mit seiner Gitarr‘n mocht, is jo illegal“, stellte sie zunächst fest – und meinte damit natürlich Dave, sein schwindelerregendes Tempo an der Elektrischen und den fast schon rücksichtslosen Einsatz des Tremolohebels. Kurz darauf brachte sie die Kernbotschaft des Abends ebenso präzise auf den Punkt: „Guat, dass do koaner singt“. (Dass dieselbe Dame der Ansicht war, der Name „Bambi Molesters“ habe etwas mit den Vornamen Moe und Lester zu tun, lassen wir hier dezent unter den Tisch fallen …).
Tatsächlich – und das sage ich als Liebhaber ausgefeilter Vokalharmonien – vermisst man den Gesang bei Dave & The Pussies nicht. Denn die kristallklare Gitarre übernimmt quasi dessen Rolle (bei der Melodieführung etc.) – und auch sonst passiert stets genug, um die Spannung zu halten: Wucht, Dynamik, Laut-Leise-Kontraste, dazu ein extrem tighter Groove (wie die Amis sagen würden).
Dave und seine Band servierten ihre Nummern (größtenteils Eigenkompositionen, aber z. B. auch ein Cover des Surf-Gründervaters Dick Dale) energiegeladen, temporeich und (wie die Amis es ausdrücken würden) upfront – auch optisch: Schon beim ersten Song sprangen Dave (im kleidsamen Glitzeroutfit) und Bassist Mex auf ihre Alukoffer – quasi eine kleine Bühne auf der Bühne -, spielten also (auch das würden die Amis sagen) direkt „in your face“.
Warum ist das Ganze trotz einschlägiger Posen und des atemberaubenden Tempos keine instrumentale Masturbation? Weil der Sound von Dave & The Pussies zwar exzellent gespielt ist (auch im Galopptempo halten alle mit), aber eben auch sehr kompakt und schlank, mit keinem Gramm zuviel auf den Hüften: Gitarre und Bass straff wie Gummibänder, die Drums wuchtig, aber nicht zu dominant, das Solieren kein eitler Selbstzweck, sondern stets songdienlich. Wobei: Spricht man bei Instrumentalmusik überhaupt von „Songs“?
Während die Pussies im Trio Krach machten, marschierten die Bambi Molesters an diesem Abend gleich zu sechst auf, verstärkt um Keyboard und Trompete. Überladen war der Sound der Kroaten trotzdem nicht, dafür atmosphärisch und sehr visuell: Zumindest bei mir beschwor er Cinemascope-Bilder wie aus dem Western herauf (was wohl am Genre-typischen Gitarren-Twang mit ganz viel Vibrato und Hall und dem Mariachi-Gebläse liegen dürfte). Adjektive wie staubverhangen, hitzeflimmernd oder verrucht kommen einem da fast zwangsläufig in den Sinn.
Die quecksilbrigen Gitarrenläufe von Dalibor Pavičić und Dinko Tomljanović (Bild oben), der pulsierende Bass von Lada Furlan Zaborac (die bewies, dass Posen keine reine Männerdomäne ist) und der schleichende Groove der ganzen Band machten Lust darauf, komisch-cool, im weitesten Sinne Pulp-Fiction-artig zu tanzen – was einige im Publikum auch ausgiebig taten.
„The best surf-rock band on the planet“: So urteilte niemand Geringerer als R.E.M.-Gitarrist Peter Buck einst über die Bambi Molesters (die mit R.E.M. auch auf Tour waren). Ob das stimmt, kann ich zwar nicht sagen, aber als beinharter R.E.M.-Aficionado würde ich niemals widersprechen.
Apropos lobende Worte: Einen Song widmeten die Bambi Molesters an diesem Abend ihrer Vorband, Dave & the Pussies, an der sie allem Anschein nach großen Gefallen gefunden hatten. So viel Herfopperei muss sein!
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