Dunkelschöne Bastelstunde

Konzertbericht Christine Owman, 13. Jänner 2014, Bäckerei, Innsbruck

Das perfekte Kontrastprogramm zur derben Mad Sin-Sause am Donnerstag davor: Düsterer, experimenteller, ebenso kunstvoller wie kunstsinniger (aber zum Glück alles andere als kunsthandwerklicher) Pop. Und eine Sängerin, die sich schon mal unters Publikum mischt, um sich persönlich zu erkundigen, ob wohl jemand Ohrstöpsel brauche: „I myself am very cautious about my ears. I dont’t want my music to ruin your ears. On the contrary“.

Eines steht fest: Die Ohren ihres Publikums hat Christine Owman, in London ansässige Songwriterin und Multiinstrumentalistin aus Südschweden, an diesem Abend absolut nicht ruiniert. Das Konzert in der Bäckerei erwies sich als genau so schön wie erwartet. Ein wesentlicher Grund dafür: Owmans ätherischer bis avantgardistischer Gesang, ihre dunkle, sinnliche Stimme, die sie noch dazu durch diverse Verzerrer und Effektgeräte jagte – ein Effekt, der gleich bei der zweiten Nummer des Abends, „Deathbed“, besonders gut zum Tragen kam.

Owman erwies sich an diesem Abend generell als sehr vielseitige Künstlerin: Sie spielte Cello (gestrichen und gezupft), Ukulele und Singende Säge, griff zur Triangel und sogar zu einer seltsamen Plastikschlange, die beim Schwingen schwirrende Geräusche produzierte (ich persönlich habe so etwas zum letzten Mal vor 25 Jahren im Kindergarten von Unterlangkampfen gesehen).

Mittels Loop-Pedalen baut Owman ihre Lieder quasi live auf der Bühne zusammen – eine Art Collagetechnik mit selbst produzierten Samples, die mir persönlich sehr gut gefällt (auch wenn sie dem Bühnenauftritt manchmal etwas Zerfahrenes, Bastelstunden- oder Workshopartiges verleiht). Auf jeden Fall ergaben die Zutaten (dunkler, intensiver, manchmal auch zärtlich gehauchter Gesang; dramatische Cellofiguren; das Klingeln der Ukulele; das Wimmern der Singenden Säge …) insgesamt einen mystischen, wunderbar artifiziellen Sound.

Der pulsierende Bass von Magnus Svenningsson – übrigens Bassist der berühmten Cardigans! –, die schrillen, teils lärmigen Gitarreneinsprengsel von Erika Rosén und  krachende, grollende oder scheppernde Beats aus dem Laptop sorgten dafür, dass das Ganze in keinem Moment nach allzu bemühtem, harmlosem Kunsthochschulpop roch. Im Gegenteil: Manche der Zuhörer waren wohl überrascht, wie düster, hart und laut ein „Singer/Songwriter-Konzert“ klingen kann. Der herrliche Harmoniegesang von Owman und Rosén stand dazu in einem ansprechenden Kontrast.

Manche Rezensenten hören  bei Christine Owman (nicht zu Unrecht) Tom Waits oder David Lynch heraus, auch Björk, Tori Amos oder The xx könnte man in die Gleichung werfen. Mich ließ der experimentelle, geheimnisvolle, Trance-artige Gesamtklang in manchen Momenten an das fantastische 2012er-Konzert der US-Band Tu Fawning im Innsbrucker Weekender-Club denken (nicht nur wegen der frisurtechnischen Ähnlichkeiten zwischen den beiden blendend aussehenden Frontfrauen). Die traumwandlerische Perfektion und Feinabstimmung der Formation aus Portland erreicht Owman freilich nicht ganz, dazu ist der Mix der einzelnen Soundelemente teils noch zu kantig, krude und improvisiert. Was den Auftritt allerdings erst recht sympathisch machte.

Sehr wichtig war beim Konzert auch die visuelle Ebene: Nicht nur weil Owman zu ausdrucksvollen Gesten und sogar zum Headbanging ansetzte, sondern vor allem wegen der stimmungsvollen historischen Filmsequenzen in Schwarz-Weiß, die auf eine Leinwand hinter der Bühne projiziert wurden. Geheimnisvolle, bisweilen zart verfremdete Bilder von bedrohlichen Wassermassen und berstenden Brücken, rätselhaften Ritualtänzen und verführerischen Burlesktänzerinnen, von Meerestiefen oder einem Mann, der an der Kante eines Hochhauses Rollschuh fährt.

In manchen Momenten ergab das tatsächlich eine wunderbare Symbiose, in der sich Musik und Bilder in ihrer Wirkung gegenseitig verstärkten: etwa die magischen Bilder von Kunstfliegern beim Cello-getriebenen „Familiar Act“ (vom aktuellen Album „Little Beast“), bei dem Owman auch die Gesangsparts ihres Duettpartners Mark Lanegan übernahm. (Hier allerdings das Originalvideo):

Das Publikum im nicht wahnsinnig heimeligen Konzertraum der Bäckerei war überschaubar, dafür aber umso aufmerksamer und dankbarer. Christine Owman (deren fröhliches, sympathisches Auftreten zwischen den Liedern einen Gegenpol zur eher abgründigen Musik bildete) gab sichtlich gerne zwei Zugaben. Ein feiner kleiner Abend, der mindestens genauso gut in den Wörgler Astnersaal gepasst hätte. Schade, dass das für dort geplante Konzert abgesagt werden musste.

Ein Gedanke zu „Dunkelschöne Bastelstunde

  1. Pingback: Meine hundert Lieblingslieder 2013 – Platz 81 bis 100 | H(eard) I(t) T(hrough) The Bassline

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert