Dieser Umsturz war keine Massenbewegung

Konzertbericht: THE COUP, Kulturfabrik Kufstein, 21. Mai 2014

Stell dir vor, es ist Revolution und keiner geht hin: „The Coup“ – mit Hunderttausenden YouTube-Klicks und rappelvollen Venues von Paris bis Budapest durchaus eine große Nummer im globalen Hip-Hop- und Funk-Underground – gaben in Kufstein ihr einziges (!) Österreich-Konzert. Ein echter (und sicher nicht billiger) Coup, der den Konzertveranstaltern vom unermüdlichen Kulturverein KlangFarben da gelungen war. Und trotzdem fanden sich in der Kulturfabrik wieder einmal nur ein paar Dutzend Zuschauer ein. Auch wenn die Werbemaßnahmen insgesamt eher bescheiden waren (vielleicht in der Hoffnung auf die Macht der Mundpropaganda) – das kann es doch wirklich nicht sein!

Von den weisen Menschen, die gekommen waren, dürfte jedenfalls keine und keiner den Konzertbesuch bereut haben: Denn das Hip-Hop/Funk/Agitprop-Kollektiv aus dem kalifornischen Oakland legte – dem schwachen Publikumszuspruch (und einigen kleineren Soundproblemen) zum Trotz – eine elektrisierende, energiegeladene Show hin, wie man sie auch in viel größeren Städten nicht alle Tage zu sehen bekommt.

trippin species

Die heimische Vorband „Jeez“ (die an diesem Abend unter dem seltsamen Namen „Trippin‘ Species“ firmierte) erwies sich mit ihrem groovigen Space-Rock – geprägt von George von Stadens psychedelischen Keyboardeffekten – im Nachhinein als durchaus passende Wahl. Denn auch „The Coup“ klangen phasenweise überraschend rocklastig: Bei ihrem unorthodoxen Mix aus Rap, Funk und schweren Riffs musste man mitunter gar an (weniger brachiale) Rage Against The Machine oder Bad Brains denken.

boots riley eins

Rapper Boots Riley – im klassischen Black-Power-Look mit Afro und mächtigen Koteletten – erwies sich als begnadeter Frontmann und wahres Energiebündel. Als gestandener Politaktivist weiß er außerdem auch, wie man klassenkämpferische, emanzipatorische Botschaften unters Partyvolk bringt, ohne oberlehrerhaft und verkrampft zu wirken: nämlich mit Humor und geschmeidigen Grooves. Es gelte, die eigene Umwelt aktiv zu verändern, meinte er an einer Stelle, denn sonst sei es wie auf einer Party, auf der alle tanzen – und nur man selbst steht an der Wand und schaut zu:  „In that case you haven’t even been to the party“.

Auch Selbstironie weiß Riley geschickt und gewitzt einzusetzen: Auf die Feststellung, wie wichtig es sei, echte demokratische Kontrolle über die eigenen Produktionsmittel und die Warenproduktion im Allgemeinen zu erlangen, folgte bruchlos das Eingeständnis: „We just became musicians, because we are too lazy to work.“

 

An einer anderen Stelle kündigte Riley an, dass nun die einzige Coverversion des Abends folgen werde: Es handle sich dabei um ein sehr altes Lied, das schon bei Aufständen auf Sklavenschiffen gesungen wurde, später unter anderem von befreiten Sklaven auf ihrem Weg nach Norden; Bob Marley habe es ebenso gecovert wie Bob Dylan; und nun würden auch The Coup dieses Lied spielen: „We changed the tempo, the melody and the lyrics and gave it a different title – but it’s still the same song. And it’s called: 5 Million Ways To Kill a CEO“. Natürlich eine astreine Coup-Nummer und kein Cover …

Besonders mitreißend gerieten die Auftritte von Sängerin Silk E: berstend vor Energie und Stimmgewalt, mit eindrucksvollen Tanzeinlagen (in High-Heels!) samt vollendeter Grätsche. Eine Wucht!

silk e

Das stoisch-coole Auftreten der restlichen Musiker stand dazu in reizvollem Kontrast. Grandios vor allem der hünenhafte Gitarrist, der – meist mit einer Art Gschirrhangerl über dem Kopf – eindrucksvolle Soli auf dem Ärmel schüttelte, als wäre es das Einfachste auf der Welt.

coup gitarre

Aber auch die anderen Bandmitglieder begeisterten gegen Ende mit lässigen Showeinlagen: Der Keyboarder (der auch in der finsteren KuFa nie die Sonnenbrille ablegte) schnappte sich plötzlich das Mikro und legte einen rasanten Freestyle-Rap hin; der tiefenentspannte Bassist zeigte auf einmal akrobatische Moves; und zwischendurch legten sich die Musiker einfach mal auf den Boden.

the coup am boden

Auch im Umgang mit einigen nervigen Soundproblemen zeigten The Coup Klasse und Kreativität: Aus der Aufforderung an den Soundmann, das Mikro lauter zu drehen, improvisierte Riley spontan ein fetziges Song-Intro: „Turn it up a little more, turn it up a little more …“. (Nach der Show meinte er dann: „Man, i hope someone recorded that …“). Kein Wunder also, dass das motiviert vor sich hin zuckende und shakende Publikum lautstark nach einer Zugabe verlangte – die es natürlich auch bekam.

boots riley drei

Nicht gerade alltäglich war auch Boots Rileys Aufforderung, man möge sich die Coup-Alben doch bei Pirate Bay heruntersaugen. Stattdessen solle man lieber ein T-Shirt kaufen oder die Band mit ein wenig Weed versorgen – „but only for the drummer and the guitar player“, wie er augenzwinkernd meinte.

Der Aufforderung zum T-Shirt-Kauf kam auch der Autor dieser Zeilen nach. Dass er dabei ein viel zu kleines Leibchen in „Lady Fit“-Ausführung erwischte, von zuhause noch einmal in die KuFa zurückkehrte und Boots Riley höchstpersönlich dazu veranlasste, den Backstagebereich minutenlang nach einem größeren Exemplar zu durchforsten, könnte man vielleicht auch noch erwähnen. Aber im Grunde interessiert das natürlich keine Sau …

boots riley zwei

Übrigens: Weitere schöne Fotos vom Konzertabend gibt es hier.

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