Punk-Power, mit Blümchenkleid und Saxophon

Konzertbericht: EZRA FURMAN & THE BOYFRIENDS, 6. Februar 2014, Weekender Club Innsbruck

Es gibt Konzerte, bei denen die eigene Erwartungshaltung  schon früh durchbrochen wird. Manchmal sind solche Konzerte eine herbe Enttäuschung. Manchmal sind sie aber auch die besten. So wie das Gastspiel von Ezra Furman & The Boyfriends im Weekender Club.

Dort geschah gleich zu Beginn Unerwartetes – und zwar in doppelter Hinsicht. Zunächst überraschte Frontmann Ezra Furman mit seinem Outfit: knapp sitzendes Blümchenkleid zu überlanger Lederjacke (die später auch noch abgeworfen wurde), eine gewagte Kombination, die er übrigens auch auf dem Cover seines neuen Albums „Day Of The Dog“ zur Schau trägt.

Zum Anderen präsentierten sich Furman und seine zum Quintett gewachsene Band (die sich nunmehr „The Boyfriends“ nennt) erstaunlich laut, wild und punkig. Die großartige Eröffnungsnummer „I Wanna Destroy Myself“, die auch das neue Album einläutet, ließ nicht nur dem Titel nach an die Sex Pistols und die Ramones denken. Kurz: Man fühlte sich angenehm irritiert.

Auch in einem anderen Punkt musste ich meine althergebrachte Meinung revidieren: Saxophone sind gar nicht mal so scheiße. Ich bin ja eigentlich ein erklärter Gegner des goldenen Dudelinstruments, weil es erfahrungsgemäß nur allzu oft für ein schmieriges, seifiges und glattes Klangbild steht, quasi die akustische Entsprechung zur nach hinten gekämmten Gelfrisur bildet. Nicht so an diesem Abend. Da war das Saxophon eine der größten Stärken im Gesamtsound.

Von Tim Sandusky höchst kompetent und gerne stakkatoartig eingesetzt, sorgte das Sax für viel Dynamik, für mitreißende, tanzbare Grooves, für Funkelemente und Fifties-Feeling. Ein Extra-Vitaminschub, der mit Furmans schrägem Punk- und Powerpop-Ansatz erstaunlich gut harmonierte. Bisweilen fühlte man sich an den klassisch ausgerichteten, zugleich aber jugendlich frischen bis überschwänglichen Sound des jungen Springsteen erinnert. Sicher kein Zufall, dass der Boss an diesem Abend auch gecovert wurde (wenn auch mit der Früh-80er-Nummer „Hungry Heart“).

Für das Punk-Element sorgte neben geschickt eingesetzten Laut-Leise-Kontrasten vor allem Ezra Furmans quengelnde, schiefe, raue Stimme, die diverse Assoziationen hervorruft (Bob Dylan, David Byrne, Jonathan Richman, Alec Ounsworth von Clap Your Hands Say Yeah und vor allem Gordon Gano von den Violent Femmes), zugleich aber unverwechselbar ist. Schon allein dieses Organ, das immer ein wenig neben der (Mainstream-)Spur liegt, sorgte dafür, dass das Ganze nie nach allzu bravem, harmlosem Hipster-Indierock klang.

Generell – nicht nur vom Outfit her – erwies sich Furman als wunderbar schräger, unberechenbar wirkender Frontmann: Sei es sein anarchisch-exaltiertes, vor Energie berstendes Bühnen(tier)gehabe (in schönem Kontrast zur eher stoisch und konzentriert auftretenden Band); seien es seine ungewöhnlichen Texte („I killed myself, but I didn’t die“; „I’m a jew through and through / and I’m about to write you a bible“); oder seien es die seltsamen, aber sehr lustigen Zwischenmoderationen, begleitet von leicht psychotischen Blicken: „This is a catchy song about the topic of suicide“; „I don’t know if you can call it a love song, but it’s got sex in it“.

Dazu servierte die bestens geölte Band einen explosiven, wilde Haken schlagenden Rocksound: Was als Liebeslied begann, konnte jederzeit in einer kollektiven Lärmorgie enden; ausgelassene Rocknummern im rebellischen 50er-Jahre-Gewand wurden plötzlich heruntergebremst, bauten viel Spannung auf und entluden sich in der nächsten Eruption.

Bekannte Songs wurden nicht am Anfang oder als Zugabe verheizt, sondern mittendrin geschickt eingestreut. Auf eine furiose Version des mundharmonikagetriebenen (FM4-)Hits „Take Off Your Sunglasses“ folgte die knackige neue Single „My Zero“. Auch der Funk/Pop/Punk-Klassiker „Train In Vain“ von The Clash oder „Please Mr. Postman“ (von den Marvelettes bzw. den Carpenters) fügten sich als mitreißende Sax/50s/Punk-Hybriden bestens ein.

Das Weekender-Publikum – mit hohem Hipster-Anteil (was nicht weiter störte) und hohem Mädels-Anteil (was bei Partys und Konzerten bekanntlich immer ein gutes Zeichen) – ging erfreulicherweise voll mit und konnte die Band zu zwei Zugabenblöcken bewegen. Den zweiten bestritt Furman allein zur akustischen Gitarre. Dabei, vor allem beim Closer „This Wild Feeling“, zeigte er noch einmal ein ganz anderes Gesicht: poetisch, eindringlich, intensiv, bewegend.

Fazit: Fein, dass Rockmusik 2014 so zeitlos und zugleich so frisch klingen kann. Es handelt sich hier eben, wie der Guardian in seiner Lobeshymne zum neuen Ezra-Furman-Album feststellt, um „classicist rock’n’roll that never feels like an exercise, but a living, breathing piece of self-expression“. Oder, noch einfacher formuliert: Super Konzert.

Im Vorprogramm hatte der in Innsbruck lebende Kanadier Ryan MacGrath zusammen mit seiner Tiroler Band melodiösen, wenn auch etwas zahmen Folkpop zum Besten gegeben. Schade nur, dass auf der Weekender-Facebook-Seite (bisher) noch keine Fotos von diesem erstklassigen Abend zu sehen sind. Aber naja: Wer dabei war, braucht das sowieso nicht …

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