Wie ich doch noch Affen-affin wurde

Album-Rezension: Arctic Monkeys – AM

Arctic_Monkeys_-_AM

Eingangs muss ich gleich eines zugeben: Die Arctic Monkeys haben bei mir lange nicht so recht gezündet. Schwer zu sagen, woran das lag. Vielleicht daran, dass ich mich bei Erscheinen des explosiv einschlagenden Debüts „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ (2006) schon einigermaßen an der „New Class of Rock“ der frühen und mittleren Nullerjahre sattgehört hatte. Vielleicht auch daran, dass mich die Hype-Maschine auf der Insel, die pausenlos irgendwelche Bands, DJs und Solokünstler hochjazzt, um sie dann mindestens ebenso schnell wieder fallenzulassen, generell ein bisschen nervt.

Jedenfalls fand ich die hysterisch abgefeierten Songs wie „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ oder „When The Sun Goes Down“ zwar ganz ok, aber leider nicht wirklich aufregend oder gar berührend. Und danach verschwanden die Monkeys für ein paar Jahre überhaupt von meinem Radar (auf dem sie nie wirklich aufgetaucht waren).

Dabei hätten mir die Buben aus Sheffield grundsätzlich sympathisch sein müssen. Das waren keine engstirnigen Rockisten, sondern intelligente und energiegeladene junge lads, die mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen, gerne Hip-Hop hören und so weiter. Und auch das, was ich von ihren Nebenprojekten so mitbekam, etwa den dreckigen Rap-Rock von Mongrel oder den barocken Pop von Alex Turners Supergroup The Last Shadow Puppets, gefiel mir eigentlich recht gut.

Das Lied, mit der ich erstmals wirklich Zugang zu den Inselaffen fand, war dann kurioserweise „Don’t Sit Down ‚Cause I’ve Moved Your Chair“ vom ansonsten nicht gerade hochgelobten 2011er-Album „Suck It And See“, ein fetter, psychedelischer, eindeutig von US-amerikanischen Einflüssen geprägter Hardrock-Kracher.

Apropos amerikanische Einflüsse: Seit dem 2009er-Album „Humbug“, das von Josh Homme koproduziert wurde, sind die Arctic Monkeys mit dem – in jeder Hinsicht – großen Kyuss- und Queens-of-the-Stone-Age-Mann befreundet. Eine Begegnung, die den bleichen englischen Milchbubis sicher nicht geschadet hat. Denn auch wenn aus den Monkeys keine Wüstenrockband geworden ist, klingen sie auf ihrem neuen Album „AM“ deutlich grooviger, sexuell aufgeladener, gefährlicher – genau jene Eigenschaften, die bekanntlich auch die Queens auszeichnen.

Natürlich hilft man sich nun wechselseitig weiter: Alex Turner steuert auf einem der besten Songs des neuen QOTSA-Albums („If I Had A Tail“) Background-Vocals bei, dafür singt Homme bei zwei Songs von „AM“ mit, auf „One For The Road“ (wo er seiner neu entdeckten Leidenschaft für den Falsettgesang frönen darf) und dem grandiosen „Knee Socks“.

Und man muss es so klar sagen: Mit „AM“, ihrem fünften Album, übertreffen die Arctic Monkeys „… Like Clockwork“, das neue, phasenweise sehr ansprechende, teils leider eher lauwarme neue Album der Queens, mit Leichtigkeit.

Der knapp gehaltene Albumtitel ist vieldeutig: „AM“ könnte für eine Radiofrequenz stehen (Langwelle), worauf auch das reduzierte Cover-Artwork hinweist; ebenso steht es als Abkürzung für „Arctic Monkeys“ (nicht umsonst nennt Alex Turner „VU“, eine Compilation von Velvet Underground, als Inspiration für den Titel); denkbar wäre aber auch ein Verweis auf die Uhrzeit (A. M. – ante meridiem; ein Fingerzeig, dass es sich um eine Platte für spätnachts handelt?!); und dann ist da klarerweise noch „am“, Englisch für „(ich) bin“.

Alben, die auf den eigenen Bandnamen verweisen und vom Artwork her eher schlicht daherkommen, signalisieren bei vielen Gruppen so etwas wie eine Rückbesinnung nach  (gescheiterten) Experimenten, eine Rückkehr zu den eigenen Stärken. Ob das bei den Arctic Monkeys auch der Fall ist, kann ich nicht beurteilen, weil ich die Alben dazwischen ja nicht kenne. Auf jeden Fall ist ihnen mit „AM“ ein großer Wurf gelungen.

Produziert wurde das Album von James Ford, der schon mit den Klaxons oder Florence & The Machine, mit Sängerinnen wie Little Boots oder Beth Ditto, aber auch mit rockaffinen Elektronikern wie Peaches oder Simian Mobile Disco gearbeitet hat. Nach „Favourite Worst Nightmare“ (2007) und „Suck It And See“ ist es das dritte Monkeys-Album unter seiner Ägide. Aufgenommen wurde in L.A. und Joshua Tree, dem Vernehmen sind die ehemaligen Inselbewohner mit ihren Modelfreundinnen inzwischen auch nach Kalifornien übersiedelt (wo sicher öfter die Sonne scheint als im trüben Sheffield).

Die besten Songs auf „AM“ sind die mit den Fragezeichen. Lustigerweise wurden alle drei auch als Singles ausgekoppelt: Der Opener „Do I Wanna Know?“ entwickelt sich nach einigen Hördurchgängen zu einer groovigen kleinen Hymne auf und für die Nachtstunden: „Baby we both know that the nights were mainly made for saying things that you can’t say tomorrow day“.
„R U Mine?“, bereits 2012 als Digitaldownload veröffentlicht, ist für mich der beste Song des Albums: hart rockend, mitreißend, mit einem gewaltigen, mehrstimmig vorgetragenen Refrain, der sofort zündet.  Fast genauso gut ist“ Why’d You Only Call Me When You’re High?“, das leichtfüßig groovt und mit einem unwiderstehlichen, leicht souligen Refrain daherkommt.

Mit den drei Fragezeichen-Songs ist der Sound von „AM“ schon einmal gut abgesteckt: Düsterer, schwer groovender (Hard-)Rock, der bisweilen an QOTSA oder Black Sabbath denken lässt, trifft auf fette, funkige Beats, die vielleicht von Hip-Hop, auf jeden Fall aber von schwarzer Musik beeinflusst sind (wenn man diesen unscharfen Terminus überhaupt verwenden will). Insgesamt könnte man feststellen: Der Sound der Monkeys ist amerikanischer geworden – und das ist absolut positiv gemeint.

Doch das Album hat noch viel mehr zu bieten. Da wären etwa: „Arabella“ mit seinen delikaten, leicht gespenstischen Strophen und einem Refrain, der sehr britisch, ein bisschen nach John Lennon, klingt; „I Want It All“, ein düster groovender Schleicher, bei dem Alex Turner nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal auf diesem Album in die Kopfstimme wechselt; oder „No. 1 Party Anthem“, trotz des Titels alles andere als eine Partyhymne, sondern eine breit aufgestellte, schwelgerische, melancholische Ballade, am Rande zum Kitsch, aber umso schöner. Hier klingen die Arctic Monkeys nach klassischem Britpop der 90er-Jahre (späte Blur, Pulp, The Verve …).

„Fireside“ wartet (wie schon „I Want It All“) mit „shoo-wop, shoo-wop“-Chören auf, ebenso mit einem hymnischen, The-Verve-artigen Refrain. Das Herz des Albums, der Groove, schlägt auch auf „Snap Out Of It“ und vor allem auf „Kneesocks“: Ein hochgradig funkiger Song, der viel (sexuelle) Spannung aufbaut. Noch schöner als der Ohrwurm-Refrain ist die kurze Falsett-Sequenz, die nach etwa zweieinhalb Minuten einsetzt. Das klingt nach Bee Gees, Prince oder Michael Jackson – und funktioniert trotzdem (oder gerade deshalb) wunderbar. Ah ja: Ein waidwunder Josh Homme heult hier auch mit.

Die Schlussballade, das deepe „I Wanna Be Yours“, beweist, dass Alex Turner auch ein gewitzter Texter ist, der mit originellen Bilder arbeitet: Hier versichert er seiner Angebeteten totale Hingabe, indem er sich ihr u. a. als Haushaltsgerät und Haarfestiger anbietet. „I wanna be your vacuum cleaner, breathing in your dust, I wanna be your Ford Cortina, I won’t ever rust“.

„AM“ wurde und wird nicht nur von der Kritik hochgelobt, sondern findet auch seine Käufer: Es hat sich – so wie jedes Arctic Monkeys-Album bisher – an die Spitze der britischen Albencharts gesetzt,  mausert sich aber auch zum bis dato erfolgreichsten Werk der Band in den USA. Eigentlich sind Chartsplatzierungen ja so was von wurscht, aber wenn es wieder einmal eine Band gibt, die groß UND wirklich gut ist, dann ist dass doch schön. Mit anderen Worten: Wenn Stadionrock anno 2013 so klingt wie „AM“, dann können wir uns eigentlich glücklich schätzen.

Beste Songs: Do I Wanna Know?, R U Mine?, Arabella, Why’d You Only Call Me When You’re High?, Knee Socks

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