Im Reich der Maschinenmenschen

Konzertbericht: Elektro Guzzi, PMK Innsbruck, 19. Dezember 2014:

Manchmal ist im Leben und in der Musik wirklich das drin, was draufsteht: So wie bei Elektro Guzzi. „Live-Techno“ lautet das Etikett, mit dem das längst auch international abgefeierte österreichische Trio seit Jahr und Tag bedacht wird. Und womit noch? Mit Recht.

Zum einen geht es hier wirklich ums Liveerlebnis, das kann ich nach dem Konzerterlebnis im PMK bestätigen – wobei mir der Elektro Guzzi-Sound auch auf Platte (Parquet, 2011) durchaus zusagt. Zum anderen wird hier wirklich (minimalistisch-hypnotischer) Techno in Reinkultur serviert, allerdings mit der klassischen Rockbesetzung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug.

Diese scheinbar widersprüchliche, wenn nicht unmögliche Kombination – die Körperlosigkeit des Techno hier, die schweißtreibende Intensität eines Rockkonzerts dort – ist nach wie vor ziemlich einzigartig. Und sehr, sehr beeindruckend. Mit der Präzision eines Uhrwerks, um nicht zu sagen: mir roboterhafter Akribie setzen Elektro Guzzi Beats, Breaks und allerlei betörende Soundeffekte – und lassen das Ganze dennoch erstaunlich organisch und funky klingen. Der Kraftwerk’sche Traum von der Menschmaschine, hier scheint er wahr geworden. Auch wenn die Band selbst dieses Image eher loswerden will.

Für Puristen auf beiden Seiten – also für Rockisten, die elektronische Musik pauschal mit 90er-Jahre-Ballermann-Müll gleichsetzen und für die Technojünger, die beim bloßen Anblick einer Gitarre in Panik ausbrechen – ist all das natürlich ein Schlag ins Gesicht: Hält man sich die Ohren zu, steht da eindeutig eine Rockband auf der Bühne und spielt sich die Seele aus dem Leib. Doch wenn man die Augen schließt, hört man eindeutig Techno. Wie Elektro Guzzi das hinkriegen? Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist es eine wunderbare Inkongruenz.

Die Haupteinflüsse von Elektro Guzzi liegen eindeutig im elektronischen Bereich, was man live nicht zuletzt daran erkennen konnte, dass das klassische Songformat (im Sinne von klar abgetrennten Stücken) hier völlig negiert wurde. Stattdessen gab es einen einzigen laaaaaaaaangen Track – und einen zweiten, nicht ganz so langen als Zugabe. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht.

Die Art und Weise, wie das Publikum im proppenvollen PMK-Saal jeden Break, jedes magengrubenerschütternden Bassgewitter und jeden psychedelischen Gitarreneffekt frenetisch bejubelte, erinnerte eher an eine hitzige Rockshow. Gleichzeitig tanzte und wippte sich das Publikum in Trance, wie man es sonst nur frühmorgens aus dem Club kennt. „Die wollen uns wohl in einen Rausch spielen“, bemerkte ein Konzertbesucher halb euphorisch, halb empört und 100 % zutreffend.

Der lebendige Drumcomputer Bernhard Breuer trug an diesem Abend übrigens ein T-Shirt vom „Heart of Noise“-Festival (wo Elektro Guzzi 2013 aufgetreten sind) – eine völlig berechtigte Verneigung vor einem der aufregendsten und forderndsten österreichischen Festivals (das vom 18. bis 20. Juni 2015 bereits seine fünfte Auflage erlebt).

Die schönsten Konzerte sind ja oft die, bei denen völlig unterschiedliche Zielgruppen zusammenfinden – und genau so war es an diesem Abend: Klassische Technoheads mit Schildkappe und Kapuzenpulli waren da ebenso vertreten wie Freunde gepflegten Rauchwerks oder Mitglieder namhafter Tiroler Experimentalrockbands von „Mother’s Cake“ bis „Tracker“. Sogar einige haarige Metal- und Stoner-Rock-Wüstlinge aus dem Tiroler Unterland waren in den ersten Reihen zu finden. Wie jeder guter Konzertabend war es also auch ein kleines Stück einer möglichen besseren Welt.

Weil die real existierende Welt aber zu weiten Teilen aus Mühsal und Plackerei besteht, darf ich an dieser Stelle darauf verweisen, dass die geplanten Konzertberichte zu „Son Of The Velvet Rat“ im Komma Wörgl, den „Blues Pills“ im Weekender oder Manu Delago/“ManuScripts“ im Treibhaus aufgrund von akutem Zeitmangel meinerseits leider nie erscheinen werden.

Aber vielleicht geht 2015 ja wieder mehr …

PS: Großartige Fotos vom Konzert, aufgenommen von Daniel Jarosch, gibt’s hier.

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