Göttliche Komödie

HIT THE BASSLINE PRÄSENTIERT: TRACK DER WOCHE, # 4:
THE DIVINE COMEDY – CATHERINE THE GREAT (2016)

Eine Band, die sich nach Dantes „Göttlicher Komödie“ benannt hat – immerhin eines der bedeutendsten literarischen Werke der Weltgeschichte – widmet sich Katharina der Großen (1729-1796), immerhin eine der bekanntesten Machthaberinnen der Weltgeschichte? Das Ergebnis könnte prätentiös, aufgeblasen, ganz und gar schrecklich klingen – in Wahrheit klingt es aber unwiderstehlich leichtfüßig und höchst unterhaltsam.

The Divine Comedy sind im Grunde ja gar keine Band. Es handelt sich dabei letztlich um das Ein-Mann-Projekt des genialen Nordiren Neil Hannon, umgesetzt mit einer ganzen Armada an wechselnden MistreiterInnen. Nun hat Hannon mit „Foreverland“ nach sechs Jahren ein neues Divine-Comedy-Album vorgelegt – mit „Catherine The Great“ als erster Single.

Und man muss es sagen: Wenn man dieses Lied gehört hat, möchte man die Große Katharina sofort kennenlernen – aber natürlich nicht die echte Kaiserin, sondern nur jene aus dem Song. Denn Hannon charakterisiert diese Dame mit den vielleicht besten und witzigsten Zeilen, die ich im Popjahr 2016 (das zugegebenermaßen bisher leider ziemlich an mir vorbeigerauscht ist) gehört habe:

„She could dictate what went on anywhere“, heißt es da im Hinblick auf die Machtfülle der Monarchin, und dann, mindestens so wichtig: „She had great hair“. Generell wird hier ausgefallen gedichtet: „Brainier“ auf „Lithuania“ zu reimen, ohne dass es an allen Ecken und Enden kracht, das muss man erst einmal bringen („There were few brainier / Just ask the king of Lithuania“.)

Und wer bei folgenden Versen nicht zumindest breit grinsen muss, hat definitiv keinen Sinn für Humor:

„With her military might / She could defeat anyone that she liked / And she looked so bloody good on a horse / That they couldn’t wait / For her to invade / Catherine the Great“

Serviert wird das Ganze in einem durchaus opulenten orchestralen Arrangement, zugleich aber so fein ziseliert und unaufdringlich, dass es keineswegs überladen, sondern wunderbar luftig daherkommt. Einfacher formuliert: ein verdammter Ohrwurm!

Elegant, theatralisch, exzentrisch, ironisch, dandyesk und – sorry für das Klischee – „very british“ sind weitere Adjektive, die einem hier durch den Kopf schießen. Von herkömmlichem „Britpop“ (dem The Divine Comedy in den 90ern bisweilen zugerechnet wurden) ist das denkbar weit entfernt, ebenso von verschwitztem Rock ’n‘ Roll (womit um Gottes Willen rein gar nichts gegen verschwitzten Rock ’n‘ Roll und auch nicht gegen Britpop gesagt werden soll).

Aber das hier kommt eben aus einer ganz anderen Tradition, ist, wie im jüngsten „Musikexpress“ nachzulesen, eher französischen Chansons der 50er oder der legendären US-Songwriter-Werkstatt Rodgers und Hammerstein geschuldet. Wir reden hier also von einer Prä-Rock-n-Roll-Ära bzw. einer Tradition jenseits des Blues (womit um Gottes Willen rein gar nichts gegen den Blues gesagt werden soll, im Gegenteil).

Neil Hannon ist ein typischer Kritikerliebling. Den ganz großen kommerziellen Durchbruch hat er nie geschafft, trotz mittlerweile elf Alben und einer Vielzahl an Nebenprojekten von Filmmusik über Werbung bis Oper und diversen Kollaborationen, etwa mit dem durchaus geistesverwandten US-Kollegen Ben Folds.

Wobei: „Foreverland“ ist, soweit das heute noch irgendeine Aussagekraft besitzt, durchaus beachtlich „gechartet“: Top Ten im UK und Irland, sogar in den Schweizer und den Ö3 (!)-Charts wurden The Divine Comedy gesichtet. Für diese Welt besteht also durchaus noch Hoffnung …

Ja, die Welt ist ist bunt und vielfältig – und die von Neil Hannon ganz besonders. Sagt man jedenfalls – ich selbst bin ja absoluter Neuling im Divine-Comedy-Land. Aber das soll sich nun ändern. Denn mit jemandem, der Zeilen wie die folgenden schreibt (aus der zweiten „Foreverland“-Single „How Can You Leave Me On My Own“), sollte man sich auf alle Fälle näher auseinandersetzen:

„When you leave, I become a dickhead / A bad-smelling, couch-dwelling dickhead / I drink too many cups of tea and eat too many biscuits / I think about going out, decide not to risk it / I look at naked ladies cause I’m too weak to resist it / when you leave“.

Großes Kino, wie man so sagt.

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