REDNECKS DO IT BETTER! Country-Blues mit Zigarrenschachtel, Mistkübel und brennenden Waschbrettern

Konzertbericht: Reverend Peyton’s Big Damn Band, Schloss Büchsenhausen, Innsbruck, 5. August 2016

Die (Konzert-)Abende, an denen man sich einfach überraschen lässt, sind oft die besten.
Wobei an diesem speziellen Abend schon die (kargen) Eckdaten klarmachten, dass da eigentlich nichts schiefgehen konnte: „Reverend Peyton’s Big Damn Band live und openair im Schloss Büchsenhausen“.

Das weckte die Neugier gleich in mehrfacher Hinsicht. Schließlich kannte man Schloss Büchsenhausen als eindrucksvollen Blickfang auf dem Weg zum Alpenzoo und vielleicht von der einen oder anderen Vernissage. Aber als Konzertlocation?

Auch von Reverend Peyton’s Big Damn Band hatte man noch nie gehört – aber aus Erfahrungswerten stand schon im Vorfeld fest: Ein Reverend im Bandnamen – oder als Beiname – ist ein Qualitätssiegel, garantiert im Regelfall Ekstase, Glut und Wahnsinn, vom Reverend Al Green über Reverend Horton Heat oder Reverend Beatman bis hin zur Reverend Shine Snake Oil Company.

Und wenn sich eine Formation samt Reverend dann auch noch „Big Damn Band“ nennt, obwohl sie nur aus drei Personen besteht, dann scheint endgültig klar: Das wird ein unterhaltsamer Abend! Und er wurde sogar noch viel unterhaltsamer als erwartet.

Reverend Peyton’s Big Damn Band stammt aus dem ländlichen Indiana, also vom platten Land – und das ist für ihre Art von Musik sicher nicht die schlechteste Voraussetzung: Denn die „Big Damn Band“ spielt urwüchsigen, rustikalen Country Blues, zum Glück aber alles andere als verstaubt-museal, sondern mit der Energie eines Dampfhammers, also rau, krachig und immer frontal in your face. Kurz: Musik, die von irgendwelchen tranigen, braven, „erwachsenen“ Blues(rock)abenden nicht weiter entfernt sein könnte.

reverend peyton

Die Band, die in Innsbruck den vorletzten Stopp ihrer Europa-Tournee hinlegte (vor dem Finale im Chelsea zu Wien) besteht aus drei optisch wie musikalisch gleichermaßen grandiosen Figuren:

Frontmann Reverend Peyton, vom Herrn mit allen Eigenschaften eines unzähmbaren Bühnentiers gesegnet, präsentierte sich nicht im Talar, sondern standesgemäß als Hillbilly mit Hosenanzug, Waldzausel-Bart und mächtigen Oberarmen samt Maiskolben-Tattoo. Er präsentierte sich aber vor allem als Naturgewalt: mit mächtiger Bluesstimme, allerlei Hochgeschwindigkeitsgriffen, coyotengleich jaulenden Slide-Einlagen und erstaunlichen Fähigkeiten an der dreisaitigen Zigarrenschachtel-Gitarre (!).

Übrigens: Wenn man den uralten Stil des Country-Blues (dessen Wurzeln im frühen 20. Jahrhundert liegen) spiele „and you’re doin‘ it right“, dozierte der Reverend, dann ersetze der Daumen den Bassisten. Um es mit Bezug auf den Namen unseres kleinen Blogs zu formulieren: This man hits the bassline with his thumb. Und wie!

Sicher, der zwiespältige Begriff „virtuos“ kam einem da des Öfteren in den Sinn. Aber beim Reverend geriet die virtuose Technik nie zum eitlen Selbstzweck (eitel auch im Sinne der barocken Bedeutung des Wortes, also „vergeblich“ oder „sinnlos“). Er stellte sie stets in den Dienst des bissigen, wuchtigen, dabei stets schlanken und punktgenau getroffenen Gesamtsounds.

Aber am schönsten erklärte es der Mann selbst, in einer der mitreißendsten Nummern dieses mitreißenden Abends: Immer wieder werde er gefragt, wie zur Hölle er es bloß geschafft habe, so gut Gitarre zu spielen. Nun, ganz einfach: Auf der Veranda natürlich! Wo auch sonst?

„How did I get so good? / Well, let me explain / Got so good on the front porch / I’m front porch trained“.

Für Highlights am laufenden Band sorgte auch die Gattin des Reverends, Breezy Peyton, eine wahre Königin an einem viel zu selten gehörten Instrument – dem Waschbrett (!). Ausgestattet mit coolen Spezialhandschuhen, holte sie aus der mikrofonierten, standesgemäß mit der Aufschrift „Breezy“ versehenen Waschrumpel (samt Tragegurt!) die fetzigsten Reibe-und Ratter-Ryhthmen heraus, die sich denken lassen, oder setzte mit dem lässig geschüttelten Tambourin genau die richtigen Akzente.

Dazu sorgte sie mit ihrem Harmoniegesang für Extra-Drive bei den Refrains oder auch mal für dieses spezielle Country-Flair, wie man es beispielsweise aus „Jackson“ von Johnny Cash und June Carter kennt.

Mit geblümtem Kleid, roten Stiefeln und gestrengen Blicken auf die langzottigen Männer im Publikum – denen sie am Ende gar mit dem Tamburin Köpfe und Hintern versohlte – bot Breezy nebenbei auch noch eine höchst amüsante Bühnenshow. Und als sie das Waschbrett am Ende in Brand steckte (!) und hinter dem Kopf spielte (!!), muss auch Jimi Hendrix im Rockhimmel ein dickes „Gefällt mir!“ über die Lippen gekommen sein.

Die perfekte Ergänzung zum wilden Frontpaar bot der Drummer, der mit Hemd und Hillbilly-Bart so wirkte, als habe man ihm direkt vom Traktor herunter für die Band zwangsrekrutiert. Dass ein Mistkübel (oder Futtertrog?) aus Plastik einen essentiellen, wohlklingenden Teil seines Drumkits bildete, passte da hervorragend ins Klangbild.

Rev. Peyton

Ob rasante Tanznummern oder klassischer Blues, auch mal solo vorgetragen: Hier geriet alles zwingend, zündend und knackig. Musik, die man live erleben sollte!

Genau dafür plädierte übrigens auch der Reverend selbst: Bei einem Konzert gehe es schließlich nicht um ein „wir da oben, ihr da unten“-Ding (wobei an diesem Abend eh kein Niveauunterschied zwischen Bühne und Publikumsraum bestand), sondern um den Gedanken der „community“, ums Dabeisein und Mitmachen: „Otherwise you could just listen to our records at home“ – was Breezy mit einem lakonischen „Which, by the way, are available over there“ garnierte.

An Humor mangelte es bei diesem Konzert generell nicht: So meinte Reverend Peyton einmal sinngemäß: „I think this is the best song on the record. But everybody else disagrees. So I’m gonna play it every evening all around the world till everyone changes his mind“.

Ja, hier wurde gnadenloses Entertainment geboten – und dem Publikum keine Wahl gelassen: Vor dem unmissverständlich betitelten Song „Clap Your Hands“ mussten die Zuhörer auf Anordnung der Band sogar die Biere exen, um die Hände zum Klatschen freizuhaben. „What are you doin‘? This is no joke, man!“, meinte der Reverend zu einigen zögerlichen Herren.

Und als das geforderte Mitschreien bei diesem Song im Probedurchgang etwas zögerlich ausfiel, bat er, man möge doch nicht kreischen „like sorority girls“, sondern so brüllen, „as if someone poured gasoline over your head and set it on fire“. Und seine Gattin ergänzte, mit Blick zum Merchstand-Betreiber: „Make sure the gasoline’s ready if they don’t scream loud enough“.

Eines der absoluten Highlights war dann gegen Ende ein urgewaltiges Cover des von Willie Dixon geschriebenen Bo-Diddley-Reißers „You Can’t Judge A Book By The Cover“: Schnell, wild, mitreißend – besser kann man diese Art von Musik nicht spielen:

„You can’t judge an apple by looking at the tree / You can’t judge the honey by looking at the bee / You can’t judge a daughter by looking at the mother / You can’t judge a book by looking at the cover.“

So ähnlich könnte das früher in einem Heuschober oder einem Hillbilly-Lokal wirklich geklungen haben. Apropos: Die lauschige Laube im Garten von Schloss Büchsenhausen, die trotz kühlem, regnerischem Herbstwetter einen sonnigen Konzertabend garantierte, war für diese Art von Musik geradezu ideal ausgelegt – sogar mit Holzboden, perfekt zum Aufstampfen!

Das Publikum erwies sich von Anfang an als schwer begeistert, hielt zunächst noch Tirol-typisch Sicherheitsabstand ein, zeigte sich aber bald schon ausgelassen mittanzend und -groovend. So soll es sein! Kompliment an den Innsbrucker Verein V.A.K.U.U.M., der für diesen auch atmosphärisch so schönen Abend sorgte. Und: Gerne mehr davon!

PS: Ich selbst ging am Ende dieses Abends übrigens mit einem XL-Band-T-Shirt im Girlie-Schnitt heim. Aber das … ist eine andere Geschichte.

Wie gesagt: Die (Konzert-)Abende, an denen man sich einfach überraschen lässt, sind oft die besten.

PPS: Danke an Lukas Schwitzer und David Obwaller für die schönen Schatten- und Action-Fotos!

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