Da war doch noch was. Die Berichte von den Tagen 0 (äh?) und 1 des 2015er-Primavera sind da, dann gab’s nix mehr. Doch doch, Astrid und ich waren auch an den drei Hauptverkehrstagen des besten Festivals der Welt dabei. Und das haben wir – etwas durch den Nebel der verblassenden Erinnerung geschildert – erlebt:
Na Moment, Halt Stop! ich ziehe das anders auf, denn die 2016er-Ausgabe ist uns im Kalender ja schon wesentlich näher als die 2015er zurückliegt. Heuer gibt’s ein fulminantes Lineup mit den Versprechensbrechern („Letztes Konzert im Madison Square Garden“) vom LCD Soundsystem, Radiohead, Tame Impala, BRIAN fucking WILSON performing „Pet Sounds“, Animal Collective, Sigur Rós, PJ Harvey, Air, Beach House, Beirut, Regisseur John Carpenter, Dinosaur Jr., Chairlift, Julia Holter, Tortoise und und und. Da muss man hin. Ich aber nicht. Jedes Jahr ein Festival? My back says no. Mein Börserl auch. Astrid auch. Was soll man machen.
Zurück ins Jahr 2015. Abgehandelt habe ich bereits Auftritte von Ibeyi, OMD, Benjamin Booker und The Juan MacLean. Das war Dienstag und Mittwoch; Der Donnerstag ist traditionell mein Lieblingstag des gesamten Festivals. Erstens habe ich da noch genug Energie, zweitens ist dieser Tag von vielen Bands exklusiv fürs Primavera reserviert, weil weniger Konkurrenz zu anderen europäischen Wochenend-Festivals besteht. Drittens: Panda Bear.
Vor zwei Jahren sahen wir ihn ebenfalls am Primavera-Donnerstag mit seinem Animal Collective, damals wirkte das ganze aber doch schon etwas ausgezehrt vom vielen Touren. Den kreativen Zenith dürften die Viecher als Band auch schon überschritten haben, dafür war das fünfte Solo-Album „Panda Bear Meets the Grim Reaper“ eine Offenbarung. Live war das ein audiovisueller Psycho-Trip im Auditori Rockdelux, wie das 3.200 Menschen fassende Auditorium des Architektur-Tempels Museu Blau de les Ciències Naturals zu Festivalzeiten gebranded wird.
Für dieses Konzert mussten wir uns übrigens wegen der begrenzten Kapazität Stunden zuvor für ein paar Euros ein Extra-Ticket sichern. Ein Spannungsmoment, denn niemand in der Schlange wusste, wann der Ticketvorrat aufgebraucht sein würde. War dann aber kein Problem.
Weiter ging’s auf der kleineren Pitchfork-Stage mit den kanadischen Schachtelsatz-Rockern Viet Cong, deren komplexe Arrangements und Song-Strukturen ich damals nur teilweise zu schätzen wusste. Heute weiß ich: „Death“ ist ein ganz, ganz großer Song. Bin gespannt, wo sich die Band nach der unabwendbaren Umbenennung – „Viet Cong“ ist halt umstritten – hinorientieren wird.
Ein Extra-Ticket – aber kostenlos – brauchte es auch für Battles auf einer sogenannten „Hidden Stage“, die sich als Hotel-Parkgarage entpuppte und nur Platz für etwa 200 Leute bot. Wie das untere Fluc, würde ich sagen. Battles machen Mathematik-Elektrock mit echten Instrumenten und echt vielen Effekten. Das 2015er-Album „La Di Da Di“ konnte das Niveau der ersten beiden Alben nicht ganz halten, aber wer Songs wie „Ice Cream“ oder „Atlas“ im Repertoire hat, hat eigentlich eh ausgesorgt. Eine gewonnene Schlacht.
Dann war’s so 22:00 Uhr, stockdunkel, und Zeit für eine Engelserscheinung. Staturbedingt unwahrscheinlicherweise in Form von Antony, einer der (ungegendert) größten Künstler unserer Zeit, der in weißen Gewändern auf die Bühne der Main Stage schwebte. Antonys Stimme ist auf Platte umwerfend, live in ihrer Einzigartigkeit kaum mehr in Superlative zu fassen. Begleitet vom vollständigen Barceloner Stadt-Orchester – genau diese kuratierte Exklusivität wünscht man sich von Mega-Festivals – und einem Film des japanischen Butoh-Tänzers Kazuo Ono sang sich Antony von Höhepunkt zu Höhepunkt: das selten live gespielte „Blind“ von Hercules & Love Affair, das zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte „4 Degrees“ vom nächsten Album „Hopelessness“ oder „Hope there’s someone“ inklusive sympathisch überspieltem Mikrofon-Kratzer zur ungünstigsten Zeit. Davon werde ich noch meinen Enkeln erzählen, wenn Antony in einigen Jahrzehnten ihren rechtmäßigen Platz im Künstler-Olymp eingenommen hat.
Ein kleiner Dämpfer war dann der Sorgenkind-Headliner dieser Ausgabe, die Black Keys. Ich war großer Fan, habe zwei T-Shirts von ihnen, aber mein Lieblingsalbum („Rubber Factory“) ist halt schon zwölf Jahre alt. Seitdem ging’s mit der Publikumsgröße ständig bergauf, mit der Qualität der Songs aber bergab. Es passte irgendwie ins Bild, dass von den 19 gespielten Nummern keine von „Rubber Factory“ dabei war. Und nur von „Gold on the Ceiling“ und „Your Touch“ werde ich halt nicht satt. Der Auftritt war mir erschreckend wurscht.
Einen kurzen Abstecher nach der Geisterstunde verdiente sich die ATP-Stage mit dem Druiden-Doom-Drone von Sunn O))). Irgendwann hatte ich die Fuck Buttons zur lautesten Band der Welt erklärt – aber die amerikanischen Nebelmaschinensammler mit den 20-Minuten-Plus-Songs sind ernste Herausforderer. Das ist nicht ganz meine Musik, dieser Hypnose kann man sich aber unmöglich entziehen. Man kann nicht nicht hinsehen. Ein Viertel des Gesamt-Auftritts, also ungefähr ein Song, also ungefähr eine halbe Stunde, hat mir dann aber doch gereicht.
Astrid hatte dann eine ganz schwierige Entscheidung zu fällen: James Blake auf der Main Stage oder Jungle auf der kleineren Ray-Ban-Stage. Ich hatte James Blake schon 2013 gesehen, Astrid nicht, versuchte sich daher zu zerteilen und sah sich eine Handvoll Songs von James Blake an, um dann schweren Herzens doch auch noch Jungle zu erwischen. Lohnte sich, denn das sicher nicht ganz leicht auf die Bühne umsetzbare Debüt-Album der Briten konnte sich auch live hören lassen. Hier die Live-Version der Nummer zwei meiner 2014er-Jahrescharts.
Hätt‘ ma das auch. Irgendwann geht’s dann weiter mit Tag 3 von 4 🙂