Die schlechtesten Songs aller Zeiten? Eine subjektive Auswahl

Was ist das Geheimnis eines richtig schlechten Songs? Gibt es dafür so etwas wie objektive Kriterien? Eine Art Katastrophenkatalog, eine musikalische „Geht gar nicht“-Liste? Wohl kaum.

Musikalische Inkompetenz ist – zumindest aus meiner Sicht, der ich nichts vom Musikhandwerk verstehe und nicht einmal Noten lesen kann – keinesfalls der alleinige Maßstab: Zum einen sind viele meiner Lieblingssongs (von Punk bis Experimentalmusik) ganz offensichtlich mit sehr beschränktem musikalischem und produktionstechnischem Können entstanden, machen das aber über ihre Dringlichkeit, ihre Originalität, ihre Wucht und ihre Chuzpe locker wieder wett.

Zum anderen zählen für mich viele handwerklich perfekt gemachte Songs – man denke nur an Musical-Arien, „virtuose“ Rrrrrockmusik oder überladene Dicke-Eier-Arrangements aller Art – zum Unterträglichsten, was die Popkultur zu bieten hat.

Was ist es also, das einen fürchterlichen Song so fürchterlich macht? Ist es seine pure Penetranz? Quasi seine aufdringliche Art? Sein quälender Ohrwurmcharakter? Ist es die Situation, in der man ihn hört/hören muss (etwa, wenn man am Arbeitsplatz zu dauerhaftem Ö3-Konsum gezwungen wird oder vergleichbare Beispiele angewandter Folter)? Sind es vor allem subjektive, persönliche Faktoren?

Gesichert ist zumindest, dass die stete Wiederholung nervtötender Songs ihren Nervigkeitsfaktor potenziert. Mir persönlich ging und geht es zum Beispiel so mit „Get Lucky“ – objektiv betrachtet ein perfekter, nach allen Regeln der Kunst produzierter Popsong. Was die Sache nur noch schlimmer macht.

Wie bei schlechten Filmen muss man wohl auch bei schlechter Musik grundsätzlich zwischen Liedern unterscheiden, die so schlecht sind, dass sie schon wieder gut sind (weil sie so sympathisch/unterhaltsam/erfrischend anders sind) und jenen schlechten Songs, die einfach nur eines sind: schlecht.

Zur ersten Kategorie zählt zum Beispiel das legendäre „Philosopy Of The World“ (1969) von der unvergleichlichen All-female-Band The Shaggs aus den USA. Hier fügen sich musikalische Unbedarftheit und eine geradezu unwirkliche Schrägheit zu Outsider Art von geradezu hypnotischer Qualität. Das Wort „grenzgenial“ passt hier einmal wirklich:

In Zusammenhang mit der kanadischen Band Nickelback wird man das Wort „grenzgenial“ dagegen eher selten hören. Dafür sind Chad Kroeger und seine Spießgesellen bei vielen Worst-of-Listen ganz weit oben. Denn Nickelback (deren erste Hitsingle „How You Remind Me“ ich als Spät-Teenager damals gar nicht sooo scheiße fand) bringen einfach verdammt viele Zutaten mit, die einen grottigen Song ausmachen: schlechtes Pathos, gepressten RAWK-Gesang und peinliche Setzkasten-Lyrics, die vor abgeschmackten Bildern nur so strotzen:

„And our time apart / like knives in my heart“ ODER „All I need is you / Come please I’m callin‘ / And oh I scream for you“ ODER „I miss it now / I can’t believe it / So hard to stay / Too hard to leave it“

Was bei Nickelback strafverschärfend hinzukommt: Sie kochen ihr Süppchen immer nach demselben Rezept, was unvermeidlich zur Folge hat, dass JEDER ihrer Songs gleich klingt. Wahrscheinlich will man die Zielgruppe der Ö3-Hörer dieser Welt nicht beim Autofahren oder Im-Stau-Stehen erschrecken.

Wobei: Wenn sich Nickelback dann doch einmal von den gewohnten Schablonen entfernen, ist das Ergebnis fast noch schlimmer. Besonders, wenn sie im Video dann auch noch einen auf Selbstironie machen. Brrrr …

Apropos Humorlosigkeit und schlechtes Pathos: Beides findet man seit einiger Zeit auch im deutschsprachigen Mainstream (wieder) gehäuft vor – sei es im aalglatten Popschlagersound von Helene Fischer, bei den nicht minder schmierigen Singen-als-Hochleistungssport-Nummern aus den Castingshows oder im Gruselkabinett von Frei.Wild.
Irgendwie der passende Soundtrack zum Aufstieg von AFD und Konsorten.

Der große Heinz Strunk hat dazu im „Musikexpress“ treffende Worte gefunden: „Mir ist in letzter Zeit eine inflationäre Häufung von Begriffen aufgefallen wie Ewigkeit, Unendlichkeit, Unsterblichkeit und so weiter. (…) Überall schleicht sich so ein ätzendes Pathos ein. Das hat etwas ganz schlimm Deutsches. Ich habe da leider einen Hang, da was Nazimäßiges zu sehen.“

Ein besonders gutes, weil schlechtes Beispiel ist die Wow-wir-sind-so-geil-und-feiern-uns-selber-ab-und-lassen-alles-wie-es-ist-Hymne „Auf uns“, die 2014 nicht umsonst als Begleitmelodie für die Fußball-WM-Übertragungen im deutschen Fernsehen auserkoren wurde. Dass es in Deutschland seit Jahren das Bedürfnis gibt, endlich auch mal wieder ausgelassen patriotisch sein zu dürfen („so wie alle anderen“), ist schon mal ambivalent zu sehen. Dass man dafür selbstzufrieden-spießige Songs wie diesen heranzieht, macht die Sache nicht unbedingt appetitlicher.

Zusammenstehen, Männerfreundschaft, Ewigkeitskitsch: Das sind die zentralen, dezent reaktionär schmeckenden Botschaften, die Text und Musik von „Auf uns“ dem Hörer ins Gesicht reiben. Ein Hoch auf stumpf!

Und, was sind aus eurer Sicht die schlechtesten Lieder der Welt? Postet doch einfach ein paar eurer schlimmsten musikalischen Alpträume in den Kommentaren! Denn geteiltes Leid ist halbes Leid …

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