Archiv für den Monat: Januar 2020

Großer Weltraumbahnhof in der Talstation

Konzertbericht: KOSMODROM (GER), MOON WOMAN (AUT), Innsbruck, (Junge) Talstation, 18. Jänner 2020

Wie sagten schon die alten Japaner? Psychedelischer Rock ist ein Gericht, das man am besten live serviert.

Nachprüfen konnte man diese seit Jahrhunderten überlieferte Weisheit gestern Abend bei einem äußerst feinen Double-Feature an einem nicht minder feinen Veranstaltungsort, nämlich der ehemaligen Talstation der Innsbrucker Hungerburgbahn. Für mich war es der erste Konzertbesuch in dieser außergewöhnlichen Location, die in vielen reizvollen Details – von der „Kassa“-Aufschrift in historischer Typologie über dem nunmehrigen Ausschank bis zum Schriftzug „Aufgang zur Bahn“ am Eingang zum Konzertsaal – den Charme alter Zeiten atmet.

Ungleich jünger, nämlich offenbar in dieser Formation erst ein Säugling von ca. zwei Monaten, ist die Band, die den Abend eröffnete: Moon Woman nennt sich ein neues, in Innsbruck ansässiges Stoner-Rock-Trio, das in der von Beginn an prall gefüllten Talstation keine Spur von Nervosität zeigte, sondern einen ebenso erfrischenden wie sympathischen Auftritt hinlegte.

Der Wechsel zwischen eher langsamen, pochenden, düster-atmosphärischen Parts auf der einen und treibend-aggressiven Schlagzeug-Salven sowie, ähem, Powerriffs auf der anderen Seite sorgte für Spannung, dazu streute der Bassist hin und wieder eine wohldosierte Prise rhythmischen Sprechgesangs bei.

„Mia wissn söwa oft ned genau, wos ma do tan, owa es ist trotzdem geil“, meinte der Moon- Woman-Drummer irgendwann in jugendlichem Überschwang – und spielte damit auf den hohen Impro-Faktor im Gesamtsound an. Die Songs hätten noch nicht einmal Titel, ergänzte er später. Doch das Unfertige machte den Auftritt nur umso interessanter, vor allem weil Spiel- und Lebensfreude in jeder Sekunde mit Händen zu greifen (und natürlich zu hören) waren.

Von dieser Euphorie (und lässigem Understatement mit Ansagen wie: „Des worn etz zwoa Liada. Und etz spü ma no a por Liada“) ließ sich das Publikum dankbar mitreißen und feierte die junge Formation lautstark ab. Verdientermaßen!

Bei der Hauptband, dem Quartett Kosmodrom [= Weltraumbahnhof] aus Bayern, sprang der Funke erst allmählich, dafür aber umso nachhaltiger und heftiger über. Nicht nur in ihrem komplett anti-rockistischen Auftreten samt leise gemurmelter Ansagen zeigte sich die Band angenehm distanziert und unaufdringlich. Auch ihr rein instrumentaler Sound fällt nicht mit der Tür ins Haus, sondern setzt auf Spannungsaufbau, zurückgenommene Sequenzen und dann umso wirkungsvollere und wuchtigere Laut-Leise-Kontraste. Der Vergleich mit All Them Witches – einer Band, die Kosmodrom selbst als wichtige Inspiration nennen (neben Sungrazer oder The Entrance Band) – ist treffend: Denn wie bei den Amerikanern hat man auch bei Kosmodrom oft den Eindruck, am Fuße eines Vulkans zu stehen, der immer kurz vor der Eruption steht – aber nur manchmal ausbricht. Um dann umso eleganter zu fließen, oft in unerwartete Richtungen. 

Genau diese stetige Anspannung macht den psychedelischen Rock von Kosmodrom aus. Dazu kommt ein pulsierender Groove, der sich gewaschen hat und der Musik bisweilen eine Funkiness verleiht, die schwerfälligem Stoner Rock/Doom oft fehlt. Ja, allzu brachial klingt hier trotz vieler harter Passagen nichts, vielmehr herrscht eine Art Sanftes Gesetz, das für ein warmes und psychedelisch-einlullendes Klangbild sorgt. Nebel und süßer Rau(s)ch, den suggestive Visuals schön ergänzten.

(Anm.: Dank des stufenförmigen Aufbaus im Saal konnte sich daran auch wirklich jede(r) sattsehen. Warum baut man eigentlich nicht jede Konzertlocation so?)  

Und so flossen die Nummern fast unmerklich ineinander. In jeder der (seltenen) Pausen reagierte das Publikum euphorischer (bis hin zu Miniatur-Stagediving), am Ende gab es tosenden Applaus und laute Rufe nach Zugaben. Die Bayern, ihrerseits von Publikum und Location sichtlich begeistert, kamen dem natürlich gerne nach – hielten den Auftritt aber dennoch kompakt. Leaving the audience waiting for more – so geht das!

Fazit: Ein furioses Österreich-Debüt (!) für Kosmodrom. Und für mich persönlich ein erfreuliches Talstation-Debüt (den Auftritt der genialen österreichischen Band Vague im Vorjahr habe ich unverzeihlicherweise versäumt) – auch wenn ich garantiert unter den fünf bis zehn ältesten Menschen im Raum war und mir schön langsam Sorgen machen sollte. Dass ich den Hintergrund des „Paris Hilton @the Airport“-Schildes, das zwei vergnügte Zuschauer in die Luft hielten, nicht begreife, sollte angesichts dessen niemanden verwundern …

PS: Die Kosmodrom-Tonträger mit den wunderbar spacigen Titeln „Sonnenfracht“ und „Gravitationsnarkose“ kann man HIER anhören und kaufen. Do it!

PPS: Hier findet man wunderbare Konzertfotos von Benjamin Mader, die die Atmosphäre dieses tollen Abends (inklusive Auflegerei im Anschluss) stimmungsvoll einfangen.

HIT THE BASSLINE: BLOG-JAHRESCHARTS 2018

Spät (den Zusatz „aber doch“ sparen wir uns verschämt) liegen sie nun vor, die kumulierten Blog-Jahrescharts, ähem, 2018 von HIT The Bassline. Und siehe da: Zwischen den beiden Blogautoren Stefan Pletzer und Michael Domanig gab es diesmal im Vergleich mit den Vorjahren doch einige Überschneidungen, was die jeweiligen Top-100-Listen angeht.

Konkret waren es immerhin 11 (in Worten: elf) Tracks, die sich in beiden Jahresbestenlisten wiederfanden. Acht davon schafften es in die gemeinsamen Top 40 – und zwar alle in die Top-Ten-Ränge, was diesmal doch ein ziemlich aussagekräftiges Gesamtergebnis mit sich bringt. Und hier ist es auch schon!

Anmerkung: Die Wertungen von Stefan und Michael sind (in dieser Reihenfolge) jeweils nach der fettgedruckten Gesamtpunktezahl abzulesen.

JAHRESCHARTS 2018: DIE TOP 40 von HIT The Bassline:

1.) Amen Dunes – Miki Dora: 168 (87, 81)

2.) MGMT – One Thing Left to Try: 158 (94, 64)

3.) Soap & Skin – Italy: 153 (68, 85)

4.) Father John Misty – Mr. Tillman: 146 (69, 77)

5.) MGMT – TSLAMP: 135 (82, 53)

6.) Courtney Barnett – Nameless, Faceless: 129 (29, 100)

7.) Tunnelvisions – Guava: 113 (30, 83)

8.) Simian Mobile Disco feat. Deep Throat Choir – Defender: 111 (79, 32)

9.) Rudimental & Major Lazer feat. Anne-Marie & Mr Eazi – Let me live: 100 (100, -)

10.) Panda Bear – Shepard Tone: 99 (99, -)
      

10.) Grimes – We Appreciate Power: 99 (-, 99)

12.) Christine and the Queens – Goya! Soda!: 98: (98, -)
        Emily Haines & The Soft Skeleton – Legend of the Wild Horse: 98 (-, 98)
14.) Amen Dunes – L.A.: 97 (97, -)
       David Byrne – I Dance Like This: 97 (-, 97)
16.) Cosmo Sheldrake – Wriggle: 96: (96, -)
        Jonathan Bree – Sleepwalking: 96 (-, 96)
18.) Tunng – Abop: 95: (95, -)
        Soap & Skin – Palindrome: 95 (-, 95)
20.) Rico Nasty – Oreo: 94 (-, 94)
21.) The 1975 – Love It If We Made It“: 93 (93, -)
        Lüül – Schwarz war die See: 93 (-, 93)
23.) Thunder Jackson – Guilty Party: 92 (92, -)
        Low – Disarray: 92 (-, 92)
25.) Sia – My old Santa Claus: 91 (91, -)
        Ebony Bones feat. The Bones Youth Choir – Police and Thieves: 91 (-, 91)
27.) Interpol – The Rover: (90, -)
       Der Nino aus Wien – Unentschieden gegen Ried: 90 (-, 90)
29.) Panda Bear – Part of the Math: 89 (89, -)
       Gaye Su Akyol – İstikrarlı Hayal Hakikattir: 89 (-, 89)
31.) Cosmo Sheldrake – Hocking: 88 (88, -)
       Amanda Palmer & Jason Webley – House of Eternal Return: 88 (-, 88)
33.) Luluc – Spring: 87 (-, 87)
34.) The Blaze „Faces“: 86 (86, -)
        International Music – Für alles: 86 (-, 86)
36.) Maribou State „Beginner’s Luck“: 85 (85, -)
37.) Rhye „Phoenix“: 84 (84, -)
       Jonathan Bree – Say You Love Me Too (feat. Clara Viñals): 84 (-, 84)
39.) Robyn „Missing U“: 83 (83, -)
40.) Hatis Noit – Illogical Lullaby (Matmos Edit): 82 (-, 82)