Noch mehr Bla Bla (Bla) über Nirvana

HIT THE BASSLINE PRÄSENTIERT: TRACK DER WOCHE, # 26:
NIRVANA – VERY APE (1993)

Bereits in meinem letzten Track der Woche spielten Nirvana eine nicht unwesentliche Rolle. Einige Monate später (ja, ich war sehr, sehr schreibfaul) stolpere ich über die nächste Kuriosität rund um die Band. Kurios auch deshalb, weil ich die Band eigentlich nur äußerst selten bewusst höre und auch keine starke Meinung zu ihrer Musik habe, weder in die eine noch in die andere Richtung. Aber einen Bogen um deren Klänge, Mythen und Anekdoten zu machen ist eh so oder so unmöglich, wie sich erneut zeigte. Aber ich greife vor.

Die Versuchung war groß, diesen Beitrag „Gut geklaut ist besser als schlecht erfunden, Teil 2“ zu nennen, aber eigentlich geht es nicht um Klauen. Es geht um Sampling. Nur ewiggestrige Puristen würden es heutzutage noch wagen, Sampling grundsätzlich als Ideendiebstahl zu bezeichnen. Nicht wenige der besten und prägendsten Werke zeitgenössischer Musikgenres leben von kreativer Samplingarbeit. Und oft muss es auch buchstäblich nervenaufreibende Arbeit sein, bekannte wie auch irrsinnig obskure Samplequellen in einem neuen Kontext zu positionieren oder sie teilweise bis zur Unkenntlichkeit zu verzerren. Augenscheinlich irrelevante Sekundenbruchteile werden zum tragenden Fundament eines neuen Songs, Gesangspassagen fungieren plötzlich als Percussion, uralte fremdartige Folklore schleicht sich ent-fremdet (sic!) via weltbekannter Pophits in westliche Gehörgänge, alles ist möglich.

Hier noch ein kleines Stück Musik-Trivia, das mittlerweile lange schon kein Geheimnis mehr und vielen Leuten bekannt ist. Ich zeige und erzähle es trotzdem immer wieder gerne. Die britischen Blues-Rocker von Stretch waren von 1974 bis 1979 aktiv und in dieser kurzlebigen Karriere waren sie zwar sehr fleißig und produzierten unter anderem vier Studioalben, ihr einziger wirklicher Erfolg blieb jedoch die Single „Why Did You Do It?“ aus dem Debutalbum „Elastique“. In 2011, also beachtliche 32 Jahre nach der Auflösung, versuchten sie es erneut mit dem bezeichnenden Albumtitel „Unfinished Business“, erneut mit mäßigem Erfolg, trotz einer Neuauflage von „Why Did You Do It?“. In der Zwischenzeit – und davon gab es wie gesagt reichlich – vergriff sich allerdings auch eine weitere Person am Originalmaterial, und zwar kein Geringerer als Gigi D’Agostino. Man beachte in der Originalversion die Gesangspassage ab 2:31. Nicht die ganze Passage, die ersten zwei Sekunden reichen eigentlich schon. Und hier gibt‘s des Rätsels Lösung, falls die Nostalgiebombe nicht schon längst einschlug. Genau sowas meinte ich in der Einleitung mit kreativem Sampling und originellem Quellenmaterial.

Die Story an sich war mir schon lange bekannt, aber die beiden einzelnen Songs waren es noch länger. Und genau darum geht es hier, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen und eine total bekannte Samplequelle nicht schon längst als solche erkannt zu haben. Und vielleicht ist das folgende Stück Musik-Trivia sogar wesentlich bekannter als das von gerade eben und ich stand bloß mein ganzes bisheriges Leben lang mächtig auf der Leitung, jedenfalls kommen wir nun zurück zu Nirvana. 1993 erschien ihr letztes Studioalbum „In Utero“, und mittig eingebettet zwischen mehreren Kulthits findet sich dort auch der Song „Very Ape“. Rotzige zwei Minuten mit nicht minder rotzfrechem Text. Fast exakt ein Jahr später sollte dessen Eingangsriff auf einer der bekanntesten Big Beat Scheiben aller Zeiten gesampled werden:

Im Gegensatz zur ersten Anekdote kann man hier vielleicht nicht von der am kreativsten und cleversten implementierten Samplingarbeit aller Zeiten sprechen. Aber gerade deshalb ist es ein totales Rätsel, wie diese Sache jahrelang unbemerkt an mir vorübergehen konnte, obwohl ich vor allem die dutzenden, teilweise sehr guten Remixe vom The Prodigy Track extrem oft gehört habe. Ich wiederhole die Schlussworte meines letzten Tracks der Woche: Wenn man tief genug gräbt stößt man gewiss auch auf weitere Beispiele. Vielleicht sind der Leserschaft sogar einige bekannt?

3 Gedanken zu „Noch mehr Bla Bla (Bla) über Nirvana

  1. Michael Domanig

    Über Fatboy Slims „Rockafeller Skank“ und die „Sliced Tomatoes“ der Just Brothers kann vielleicht Kollege Dave mehr erzählen.

    Ich möchte noch ein Beispiel anführen, bei dem ich ebenfalls völlig baff war, als wir bei einem Musikabend (in Vorbereitung auf das heurige Primavera-Festival) plötzlich feststellten, wo DJ Koze die wunderbare Gesangslinie zu „Homesick“ gefunden hat …
    https://www.youtube.com/watch?v=LquMTR-GXdk
    Nämlich HIER, bei den damaligen Leise-ist-das-neue-laut-Königen von Kings of Convenience:
    https://www.youtube.com/watch?v=oll6UfK6iUg

    Magisch!

    Antworten

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