Sixteen Miles High. Oder: So muss Cover!

HIT THE BASSLINE PRÄSENTIERT: TRACK(S) DER WOCHE, # 22:
THE BYRDS – EIGHT MILES HIGH (1966)
HÜSKER DÜ – EIGHT MILES HIGH (1984)

Was macht eine gute Coverversion aus? Irgendein kluger Kopf, der von einem anderen klugen Kopf im Musikexpress zitiert wurde (wo ich wohl nicht ganz so kluger Kopf das Ganze dann gelesen habe), meinte einmal sinngemäß, eine gute Coverversion müsse entweder ganz nahe am Original sein oder aber völlig anders klingen.

Tatsächlich zeichnen sich viele mäßige bis schlechte Coverversionen (und daran herrscht nun wahrlich kein Mangel) dadurch aus, dass sie entweder einzelne Aspekte des Original besonders (über)betonen oder aber meinen, unbedingt ein bestimmtes Einzelelement hinzufügen zu müssen. Das resultiert dann oft in zusätzlichem Pathos, „kraftvollerem“ oder „souligerem“ Gesang, fetteren Gitarren, dickerer Produktion oder dem Einfügen von ein paar unmotivierten Beats. Und am Ende merkt man dann nur allzu oft, dass auf diese Weise dem Original rein gar nichts hinzugefügt wurde.

Ein Paradebeispiel für eine höchst gelungene Coverversion, die eindeutig aus Kategorie zwei stammt (= klingt völlig anders), soll im Rahmen des heutigen Tracks der Woche präsentiert werden. Aber zuerst ein paar Worte zum Original:

Denn „Eight Miles High“ (1966) von den Byrds ist in vielfacher Hinsicht ein bemerkenswerter Track. So gilt er vielen als eines der ersten – wenn nicht DAS erste einflussreiche – Beispiel für das bis heute vielgeliebte und wirkmächtige Genre des Psychedelic Rock (wobei zugleich, vor allem in den Gesangsharmonien, auch die Verwurzelung im zeittypischen Folk-Rock noch sehr deutlich zu spüren ist). Generell handelt es sich hier um einen jener kostbaren Songs, die tatsächlich exemplarisch für ihre Zeit stehen – in diesem Fall für das allgemeine Streben nach neuen Erfahrungen, für die Suche nach unbekannten Klangwelten, für das Interesse an anderen Kulturkreisen, für einen musikalischen Entdeckerdrang, für ein globales „Kalifornien“-Feeling, das mit Geographie nur wenig zu tun hat. Ach ja, und natürlich auch für die bewusstseinserweiternden Drogen – was der Nummer einst sogar einen Radiobann in den USA bescherte.

Ganz konkret manifestierte sich diese Neue Offenheit (um mal ein griffiges Schlagwort zu kreieren) im Fall von „Eight Miles High“ in den ungewöhnlichen Klangfarben, die auf die Pophörer der damaligen Zeit wirklich unerhört und revolutionär gewirkt haben müssen: Zentralen Einfluss auf die Arrangements übten nachgewiesenermaßen der modale, futuristische Jazz von John Coltrane und die Musik des indischen Sitar-Gurus Ravi Shankar aus – beide liefen damals im Tourbus von Gene Clark, Jim (= Roger) McGuinn und David Crosby auf heavy rotation. In „Eight Miles High“ versuchte McGuinn unter anderem, das freitönende Saxofonspiel von Coltrane auf seiner 12-saitigen Rickenbacker-Gitarre nachzuempfinden – was besonders im ikonischen, grandios disharmonischen Solo zum Tragen kommt. (Auf der B-Seite „Why“ wiederum sollte die Gitarre wie eine Sitar klingen, hat mir Wikipedia erzählt).

Zusammen mit den im selben Atemzug anspielungsreichen UND mystischen Lyrics (die von einem Flug der Byrds nach England und ihren dortigen Tourerlebnissen inspiriert waren; die erwähnte „rain grey town known for its sound“ ist das London zu Zeiten der British Invasion) ergibt das einen der schönsten und zugleich rätselhaftesten Songs der Hippie-Ära.

Live wurde das Lied, auch das zeittypisch, gerne in ausufernde, bis zu 15 Minuten lange Jams überführt, zu denen es sich bestimmt wunderbar allerlei fantasieanregendes bzw. -benebelndes Zeug rauchen und einschmeißen ließ. Als Beispiel möge die folgende, schon aus der Post-Hippie-Ära stammende Instrumentalversion (1970) dienen, die die Byrds auf der Höhe ihrer hypnotisierenden Meisterschaft zeigt: virtuos, aber zum Glück nicht pompös.

Trotzdem kann man angesichts des endlosen Gejammes auch irgendwie nachvollziehen, wieso gut ein halbes Jahrzehnt später fast zwangsläufig die Punk-Revolution in den USA und danach in England ausbrechen musste, was sie angetrieben hat, warum es nach der psychedelischen Revolution dringend eine neue brauchte: hart und laut, direkt und brachial, bitter und bissig, (mindestens acht) Meilen weit entfernt vom Summer of Love.

Kinder dieses schäbigen, zugleich befreienden Punk-Spirit waren auch Hüsker Dü, 1979 in St. Paul, Minnesota, formiert – und heute weithin als eine der bedeutendsten 80er-Jahre-Bands zwischen Hardcore Punk, Noise Rock und dem aufkeimenden Alternative Rock anerkannt.

1984 legten Bob Mould, Grant Hart und Greg Norton eine atemberaubende Neudeutung von „Eight Miles High“ vor: die Gitarren verzerrt und übersteuert, Moulds Gesang urschreiartig herausgebrüllt und kaum zu verstehen, die Produktion rau und lo-fi, die Energie roh und wild, der Gesamteindruck jener von Verzweiflung und einer emotionalen Intensität, die fast alles, was sich heute „emotional“ nennt (oder vor ein paar Jahren gar „Emo“ schimpfte), nur als selbstmitleidiges, hohles Gepose entlarvt.

Dass Hüsker-Dü-Hörer offenbar sensible, intelligente Menschen sind (ähnlich wie Mastermind Bob Mould selbst, der bis heute tolle Soloalben abliefert), zeigt sich übrigens sogar in den Kommentaren auf YouTube, deren Lektüre in diesem Fall ausnahmsweise lohnenswert ist. Zur kongenialen Coverversion von „Eight Miles High“ heißt es dort unter anderem:

Somehow this burst of noise captures the emotion of this tune so well.

A way more realistic take on the drug issue. Not everyone has good trips. This is the king god hell version of a BAD trip.

Just the primal screaming in it sums it up for me. I think Bob also has had an issue with the whole „Summer of Love“ thing …

Auch hierzu möchte ich euch noch eine feine Liveversion (1987) ans Herz respektive Ohr legen. Mit dem ungleich klareren Gesang ist sie freilich schon näher am Alternative Rock ihrer Zeit als am Lofi-Noise der „Studioversion“. Aber Hüsker Dü hatten eben immer auch ein Herz für große Melodien unter all dem Lärm. Und vielleicht ist die ganze vielbeschworene ideologische Gegnerschaft zwischen „Hippies“ und „Punks“ ohnehin eine sehr gestrige Betrachtungsweise. Am Ende zählt ja doch nur, dass Musik etwas in uns berührt und auslöst. Klinge ich jetzt wie ein Hippie?

Doch das letzte Wort soll einmal mehr einem YouTube-Nutzer gehören, der im Bezug auf Hüsker Düs alles mit- und niederreißende „Eight Miles High“-Version lakonisch meint:

As covers go this pretty much covers it!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert