Hung Like a Horse. Oder: Wie Josh Homme die Kassandrarufe verstummen ließ

Konzertbericht: QUEENS OF THE STONE AGE (Support: BRONCHO), Zenith München, 10/11/2017

Die Vorzeichen vor diesem Konzertabend waren denkbar ungünstig. Da war zum einen der jüngste Queens-of-the-Stone-Age-Auftritt in Wien, der zwar von meinem Kumpel Peter gelobt, im „Standard“ aber total verrissen wurde, vor allem was die offenbar unterirdische Soundqualität angeht. Dann war da die Halle, das riesige Zenith in München. Dass dieses ein klang- und stimmungstechnisch harter Boden sein kann, hatte ich bei den von mir hochverehrten Eels erlebt, die sich dort 2013 redlich mühen mussten, bis der Funke übersprang.

Vor allem aber waren die ersten Eindrücke vom neuen QOTSA-Album „Villains“ ziemlich enttäuschend. Weder die erste Single „The Way You Used to Do“ noch „The Evil Has Landed“ blieben mir, trotz mehrerer Durchläufe, im Gedächtnis haften – und wenn, dann als eher blass und blutleer. Dass diesmal mit Mark Ronson ein Mainstream-Produzent hinter den Reglern saß, bekannt für seine Arbeiten mit Amy Winehouse, Christina Aguilera, Lily Allen, Robbie Williams, Bruno Mars oder Lady Gaga, wurde von Puristen, die QOTSA ohnehin schon seit Jahren Ausverkauf vorwerfen, ebenfalls scharf kritisiert. Angesichts der teils schwachbrüstigen Drumsounds, die an die Stelle der sonst so donnernden Rhythmussektion traten, teilweise durchaus zu Recht.

Die Vorband schien dann erst recht wie ein böses Omen: Statt eine von zigtausenden jungen, spannenden (Desert/Stoner/Experimental/Psychedelic/Noise/Elektro-)Rockbands auf diesem Planeten zu verpflichten, entschied sich irgendwer (Josh Homme? Die Booking-Agentur? Satan?) für die Parodie einer („Indie“-)Rockband: Bei „Broncho“ aus Oklahoma war nicht ein einziger eigenständiger, origineller Gedanke festzustellen: der Sänger ein hopsender Pseudohippie in wallendem Gewand und mit enervierend quengeliger Stimme; in jedem Song hysterisches Gekiekse und ab und an ein paar Feedback-Schleifen, die wohl Leidenschaft und Gefährlichkeit signalisieren sollten, aber höchstens unfreiwillig komisch wirkten; dazwischen einige abgeschmackte „Shalala“-Chöre und, besonders befremdlich, ein paar zusammenhanglose „Tequila, Tequila“-Rufe am Anfang und Ende des Sets. Wenn es so um die Rockmusik insgesamt bestellt wäre, dann wäre sie tatsächlich am Ende. Selten hat eine halbe Stunde länger gedauert – der schlechte Wortwitz „Bronchostop!“ möge mir als Apothekerkind da erlaubt sein.

Wenn eine Vorband in erster Linie die Aufgabe hat, Lust auf die Hauptband zu machen, dann kann man in diesem Fall nur sagen: Übung gelungen – wenn auch anders als geplant. Jedenfalls ließ der extrem schwammige, breiige und konturlose Sound aus der Anlage diesbezüglich auch für Queens of the Stone Age Schlimmes erwarten.

Doch so wie sich das Album „Villains“ bei näherem Reinhören doch nicht als Totalausfall erweist, zerstreute sich auch die Befürchtung, es könnte ein Konzertabend zum Vergessen werden, rasch. Denn Frontriese Josh Homme und seine aktuelle Bandbesetzung mit Troy Van Leeuwen, Dean Fertita (beide Gitarre), Michael Shuman (Bass) und Jon Theodore (Schlagzeug) legten – nach langer Pause und entsprechend gespannter Erwartung in der Halle – gleich gewaltig los.

Der Einstieg in die Setlist fiel überraschend aus: Statt mit mehreren neuen Songs zu starten und eventuell gleich die Stimmung zu bremsen, legten QOTSA ausgerechnet mit dem eher obskuren „If I Had a Tail“ vom Vorgänger „…Like Clockwork“ los – worauf Kollege Philipp im Vorfeld noch scherzhaft getippt hatte. Es folgten „Monsters in the Parasol“ vom Durchbruchalbum „Rated R“ und das mächtige „My God Is the Sun“. Der Sound war stellenweise nicht perfekt, aber fett und druckvoll, die Stimmung in der Halle sofort am Kochen. Es wurde gedrängt, geschubst und bald auch vereinzelt gecrowdsurft. Das bleib auch beim wuchtigen „Villains“-Opener „Feet Don’t Fail Me“ und bei „The Way You Used to Do“ so. Gerade letzterer Song, da waren sich im Freundeskreis alle einig, funktionierte live ungleich besser als auf Platte/im Radio/auf Spotify.

In manchen Momenten merkte man da, dass die im Zusammenhang mit dem neuen Album oft genannten Disco- und Dance-Einflüsse (Josh Homme hat immer wieder sein Interesse an Tanzmusik dieser Art bekundet) durchaus reizvoll klingen können. Und so überraschend oder weit hergeholt sind diese Soundzutaten ja auch gar nicht: Schließlich haben sich QOTSA schon immer dadurch ausgezeichnet, dass sie das bisweilen zackig-steife, martialisch-maskuline bis stumpfsinnige Genre des harten Rock mit einem Groove aufluden, der zugleich sexy und gefährlich klingt – und durchaus auch etwas mit Rhythmen aus elektronischer Musik oder Hip-Hop zu tun hat. Die vielstrapazierte Bezeichnung „Stoner Rock“ habe ich bei QOTSA nie allzu treffend gefunden, für mich ist das harte Rockmusik mit einer Extraportion Groove.

Zunächst setzte sich die Setlist mindest ebenso zwingend fort: mit dem lärmigen „You Think I Ain’t Worth a Dollar, but I Feel Like a Millionaire“ vom epochalen „Songs for the Deaf“-Album und dem glühend heiß servierten Hitblock aus „No One Knows“ (mit Spezialeinlage von Ex-Mars-Volta-Drummer Jon Theodore) und „The Lost Art of Keeping a Secret“. Spätestens da war die Stimmung im restlos ausverkauften Zenith am, Entschuldigung, Zenith – und man verlor die Kumpels in den Massen endgültig aus den Augen.

Diese Spannung konnten die Queens dann leider nicht durchgehend über den Konzertabend retten: Neues Material blieb in der Folge großteils eher farblos, ebenso wie eigentlich bewährte Nummern („Smooth Sailing“). Immerhin konnte man sich mit optischen Reizen – leuchtende Slalom-Kippstangen auf der Bühne, spektakuläre Lichtanlage – über einige Hänger und Längen hinweg trösten.

Und ab dem funkigen, eher poppigen „Make It Wit Chu“ (vom mir ansonsten weitgehend unbekannten fünften Album „Era Vulgaris“) ging es dann eh wieder bergauf. „I Appear Missing“ hinterließ zwar keinen bleibenden Eindruck, die Groove-Perle „Little Sister“ (die mir im Gegensatz zu vielen QOTSA-Fans besonders gut gefällt) oder das  giftige „Sick, Sick, Sick“ gelangen dafür umso mitreißender. Da machte es auch wenig, dass der Hit „Go With The Flow“, mit dem der reguläre Konzertblock endete, nicht ganz so zündete wie gewohnt. Riesenjubel gab es trotzdem.

Der überschaubare Zugabenteil begann mit dem punkig-rasanten „Head Like a Haunted House“ – jener Nummer, die mir auf dem teils recht betulichen „Villains“ spontan am besten gefällt. Wobei ich mir den Titel nicht ganz korrekt als „Irgendsowas wie ‚Hung Like a Horse'“ gemerkt hatte (was für eine Dicke-Eier-Band wie QOTSA aber eh auch recht passend wäre). Zum Finale gab es dann noch eine furiose, kunstvoll zerrissene Endlos-Version von „A Song for the Dead“ – als Zugabe ebenso unerwartet und willkommen wie der Konzertbeginn.

Schade, dass damit schon Schluss war, zumindest mit dem „Feel Good Hit of the Summer“ hätte ich persönlich noch fix gerechnet. Überhaupt wurde einem da erst so richtig bewusst, wie viele größere und kleinere Hits und Kracher QOTSA eigentlich noch so im Köcher gehabt hätten: Man denke nur an „Regular John“, das von Kollege Philipp eingemahnte „Mexicola“ (vom Debütalbum kam gar kein Song), an „Auto Pilot“, „I Think I Lost My Headache“, „First It Giveth“, „The Sky Is Falling“, „Another Love Song“, „Everybody Knows That You Are Insane“, „Someone’s in the Wolf“, „Long Slow Goodbye“ (wäre DER perfekte Rausschmeißer), an „Kalopsia“, „Fairweather Friends“ und und und.

Das Fazit fällt dennoch eindeutig positiv aus: Auch wenn QOTSA mit ihrem aktuellen Album nicht unbedingt ein Meisterwerk vorgelegt haben – ein tolles, begeisterndes Konzert haben sie letztlich allemal abgeliefert. Und schon deshalb bleiben sie als Band relevant.

(Etwas weniger relevant ist der Mützen-Aspekt dieses Abends: Während sich Kollege Julian am Merchandise-Stand eine schwarz-weiße Queens-of-the-Stonge-Age-Skimütze (!) mit Bommel (!!) kaufte, gelang mir irgendwie das Kunststück, meine eigene Kappe im Auto (!!!) zu verlieren. Aber das ist eine andere, traurigere Geschichte …)

Setlist:

1. If I Had a Tail
2. Monsters in the Parasol
3. My God Is the Sun
4. Feet Don’t Fail Me
5. The Way You Used to Do
6. You Think I Ain’t Worth a Dollar, but I Feel Like a Millionaire
7. No One Knows
8. The Lost Art of Keeping a Secret
9. The Evil Has Landed
10. Leg of Lamb
11. Smooth Sailing
12. Domesticated Animals
13. Make It Wit Chu
14. I Appear Missing
15. Villains of Circumstance
16. Little Sister
17. Sick, Sick, Sick
18. Go With The Flow

Zugabe
19. Head Like a Haunted House
20. A Song for the Dead

VIELEN DANK für die großartigen Fotos an Christian Lang und Philipp Kienpointner (obwohl ich auf untenstehendem eher ungustiös in einem Bierbecher versinke. Aber dafür können die Fotografen ja nichts).

4 Gedanken zu „Hung Like a Horse. Oder: Wie Josh Homme die Kassandrarufe verstummen ließ

  1. Der Peter

    Interessanterweise hattet ihr fast die gleiche Setlist wie wir im schönen Wien (https://www.setlist.fm/setlist/queens-of-the-stone-age/2017/wiener-stadthalle-vienna-austria-5be35330.html ) – wobei wir wohl etwas braver aufgegessen haben (oder der lustige Josh braver aufkonsumiert hat was auch immer er an dem Abend konsumiert hatte) und wir deshalb mehr Zugaben bekommen haben.

    Ich fand’s (danke für die Erwähnung) absolut grandios – dass der Sound in Wien schlecht war: ja eh, wie der Wiener sagt, aber zum einen ist das wohl die eher räudige Stadthalle (die immer bekackt klingt) und zum anderen müssen die Queens ja auch ein bisschen so klingen. Für mich war’s das Konzert des Jahres (gut, zugegeben: mir fällt auf die Schnelle auch kein anderes Konzert ein das ich heuer besucht hätte) – und mit Front-of-Stage-Karten haben wir auch viel vom üblichen Crowdsurfing, Moshpit etc. mitbekommen. Dass da Leute früher gegangen wären, wie der feine Herr vom Standard schreibt, wäre mir absolut nicht aufgefallen. Im Gegenteil, die Stimmung war bombig (Homme hat lediglich die Leute auf den Sitzplätzen ein bissl verarscht, aber nicht ganz zu unrecht), wir hatten eine Höllengaudi.

    Ach und zum Album: beim ersten Hören hat’s mich auch nicht vom Hocker gehaut, und das vorangegangene „…like Clockwork“ war sicherlich besser, aber so mittelmäßig wie du es findest fand ich es keinesfalls. Für mich ist da keine schlechte Nummer drauf, wenn ich ehrlich bin – wenngleich aber weniges so sehr im Ohr bleibt wie zB, äh, JEDE EINZELNE NUMMER VON SONGS FOR THE DEAF, oder, lass mich nachdenken, äh, hm, JEDE EINZELNE NUMMER VON RATED R. Aber trotzdem ein solides Album, das zumindest bei mir zuhause die letzten Wochen ziemlich in Dauerschleife lief.

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    1. Michael Domanig Beitragsautor

      Ja, die Stimmung war bei uns auch großartig – schade, dass der Standard-Redakteur das nicht vermitteln konnte. Diese Miesmacherei nervt bei den Konzertrezensionen schon manchmal. Dem Album geb ich sicher noch ein paar Durchläufe, die Rezensionen sind insgesamt eh recht gut (Bsp. Pitchfork), „mittelmäßig“ gilt vor allem im Vergleich mit früheren Großtaten.

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      1. Der Peter wieder

        Wahrscheinlich macht das Album nach einem fulminanten Livekonzert dann auch mehr Spaß, denn es stimmt definitiv, dass die meisten Nummern live natürlich viel besser kommen.

        Deiner Meinung zur grauenhaften Vorband Broncho(stop) gebe ich übrigens völlig recht. Der Auftritt war in Wien schon als bestenfalls peinlich zu bezeichnen. Warum wir solche Flachzangen bekommen, während andere Tourteile brauchbare Bands wie Royal Blood, Wolf Alice oder gar die Eagles of Death Metal hören dürfen??

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